Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
betrachtete die Bäume und Blumen, als befänden sich die drei auf einem Spaziergang über den Hof. „Aber wenn die Sonne aufgeht, ist es glühend heiß.“
Die Dunkelheit, die mir im Wald von West Virginia so viel Mühsal bereitete, stellte für Leute, die nach einem vampirischen Zeitplan lebten, ideale Mittagsbedingungen dar. Lissa warf Abe einen Seitenblick zu. Da ihre Augen gut an schwaches Licht gewöhnt waren, hatte sie keine Probleme, das leuchtend blaugrüne Smokinghemd unter dem beigefarbenen Sportjackett zu erkennen. Wahrscheinlich hätte ihn sogar ein Blinder in dieser Farbe erkennen können.
Verächtlich lachte Lissa über Abes aufgesetzte Lässigkeit. Es war eine Angewohnheit von ihm, ein Gespräch mit Small Talk zu eröffnen, bevor er auf finsterere Themen zu sprechen kam. „Sie sind nicht hier, um über das Wetter zu reden.“
„Ich versuche, mich zivilisiert zu benehmen, das ist alles.“ Er verfiel in Schweigen, als einige Moroi-Mädchen an ihnen vorbeikamen. Sobald sie außer Hörweite waren, fragte er mit leiser Stimme: „Ich nehme an, bei Ihrer kleinen Besprechung ist alles gut gelaufen?“
„Bestens“, antwortete sie und sparte sich die Mühe, ihn von der irrationalen Zuneigung in Kenntnis zu setzen. Ihn würde lediglich interessieren, ob auch ja keiner ihrer Komplizen belastet worden war.
„Die Wächter haben jetzt Eddie in der Mangel“, sagte Christian. „Und später wollen sie mit mir reden, aber ich glaube, das wird es dann für uns alle gewesen sein.“
Lissa seufzte. „Ehrlich gesagt, habe ich das Gefühl, das Verhör war eher der leichtere Teil, verglichen mit dem, was uns noch bevorsteht.“ Sie meinte die Notwendigkeit herauszufinden, wer Tatiana wirklich getötet hatte.
„Immer einen Schritt nach dem anderen“, murmelte Abe. „Es hat doch keinen Sinn, sich von dem größeren Bild überwältigen zu lassen. Wir werden einfach am Anfang beginnen.“
„Das ist ja das Problem“, erwiderte Lissa und trat gereizt gegen einen Zweig, der vor ihr auf dem gepflasterten Weg lag. „Ich habe keine Ahnung, wo wir beginnen sollen. Wer immer Tatiana getötet hat, er hat seine Spuren hervorragend verwischt und alles Rose angehängt.“
„Immer einen Schritt nach dem anderen“, wiederholte Abe.
Er sprach auf diese hinterhältige Weise, die so typisch für ihn war und die auch mich manchmal verärgern konnte – aber für Lissa wurde es heute fast unerträglich. Bisher hatte sie all ihre Energie darauf konzentriert, mich aus dem Gefängnis zu holen und an einen sicheren Ort zu bringen. Das war das Ziel, das sie angetrieben und in den Nachwehen meiner Flucht aufrecht gehalten hatte.
Nachdem die Spannung jetzt aber etwas nachgelassen hatte, fühlte sie den zunehmenden, unerbittlichen Druck des Ganzen. Christian legte ihr einen Arm um die Schultern, weil er ihr Unbehagen spürte. Dann wandte er sich mit ungewohntem Ernst an Abe.
„Haben Sie irgendwelche Ideen?“, fragte Christian Abe. „Über irgendwelche echten Beweise verfügen wir ganz sicher nicht.“
„Wir haben vernünftige Annahmen“, antwortete Abe. „Wie die, dass Tatianas Mörder, wer auch immer es gewesen sein mag, Zugang zu ihren privaten Räumen gehabt haben muss. Das ist keine besonders lange Liste.“
„Kurz ist sie aber auch nicht.“ Lissa zählte die Leute an den Fingern ab. „Die königlichen Wachen, Tatianas Freunde und Verwandte .... und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass niemand die Unterlagen der Wächter im Hinblick auf ihre Besucher manipuliert hat. Und nach allem, was wir wissen, sind einige Besuche sogar überhaupt nie eingetragen worden. Vermutlich hatte sie ständig irgendwelche Geheimtreffen.“
„Unwahrscheinlich, dass sie Geheimtreffen in ihrem Schlafzimmer abgehalten hat, im Nachthemd“, überlegte Abe laut. „Natürlich hängt das ganz von der Art des Treffens ab, nehme ich an.“
Lissa kam ins Stolpern, überwältigt von einer Erkenntnis. „Ambrose.“
„Wer?“
„Er ist ein Dhampir .... wirklich gut aussehend .... er und Tatiana hatten, ähm .... “
„Eine Beziehung“, sagte Christian lächelnd in Anspielung auf das Verhör.
Jetzt blieb Abe stehen. Lissa tat das Gleiche, und er sah sie mit seinen dunklen Augen an. „Ich bin ihm begegnet. Typ Poolboy.“
„Er hatte Zugang zu ihrem Schlafzimmer“, meinte Lissa. „Aber ich kann mir einfach nicht – ich weiß nicht. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass er das getan haben sollte.“
„Der äußere
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