Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Schein kann trügen“, sagte Abe. „Im Gerichtssaal hat er sich jedenfalls schrecklich für Rose interessiert.“
Eine weitere Überraschung für Lissa! „Wovon sprechen Sie?“
Abe strich sich nach Schurkenart übers Kinn. „Er hat mit ihr gesprochen .... oder ihr irgendein Zeichen gegeben. Ich weiß es wirklich nicht genau, aber irgendwas ist zwischen den beiden vorgefallen.“
Der clevere, wachsame Abe. Er hatte bemerkt, dass mir Ambrose den Brief zugesteckt hatte, ohne ganz zu begreifen, was geschehen war.
„Dann sollten wir mit ihm reden“, sagte Christian.
Lissa nickte. Widersprüchliche Gefühle stiegen in ihr auf. Sie war so aufgeregt, weil es eine Spur gab – aber auch beunruhigt, weil dies bedeutete, dass der freundliche, sanfte Ambrose zum Kreis der Verdächtigen zählen könnte.
„Ich werde mich darum kümmern“, erklärte Abe hochfahrend.
Ich spürte, wie ihr Blick auf ihn fiel. Ihren Gesichtsausdruck konnte ich nicht erkennen, aber ich sah durchaus, dass Abe unwillkürlich einen Schritt zurücktrat, einen Hauch von Überraschung auf dem Gesicht. Selbst Christian zuckte zusammen. „Und ich werde dabei sein, wenn Sie das tun“, sagte sie mit einem Klang von Stahl in der Stimme. „Führen Sie keine peinliche Befragung ohne mich durch.“
„Sie wollen bei der Folter dabei sein?“, fragte Abe, der sich allmählich erholte.
„Es wird keine Folter geben. Wir werden wie zivilisierte Menschen mit Ambrose reden, verstanden?“ Sie starrte ihn abermals durchdringend an, und Abe zuckte schließlich resigniert die Achseln, als wäre es keine große Sache, von einer Frau überwältigt zu werden, die nur halb so alt war wie er.
„Schön. Dann tun wir das zusammen.“
Lissa war angesichts seiner plötzlichen Bereitwilligkeit ein wenig argwöhnisch, und das musste er bemerkt haben.
„Wir tun es zusammen“, wiederholte er und ging weiter. „Jetzt ist auch ein guter Zeitpunkt dafür – na ja, ein ebenso guter Zeitpunkt wie jeder andere auch – für einige Nachforschungen. Wenn die Wahl des nächsten Monarchen beginnt, wird am Hof das Chaos ausbrechen. Alle hier sind beschäftigt, und weitere Menschen strömen herbei.“
Eine Brise, schwer von Feuchtigkeit, zauste Lissa das Haar. Der Lufthauch versprach einen heißen Tag, und sie wusste, dass Abe hinsichtlich des Sonnenaufgangs durchaus recht hatte. Es würde sich lohnen, früh zu Bett zu gehen.
„Wann werden die Wahlen stattfinden?“, fragte sie.
„Sobald man die liebe Tatiana zur letzten Ruhe gebettet hat. So etwas geht schnell. Wir brauchen eine neue Regierung. Die Königin wird morgen in der Kirche mit einer Zeremonie und einem Gottesdienst beigesetzt, aber ohne eine erneute Prozession. Die Menschen verspüren noch immer zu viel Unbehagen.“
Ich hatte ein etwas schlechtes Gefühl, weil sie am Ende kein richtiges Begräbnis bekam, wie es einer Königin geziemte. Wenn das andererseits jedoch bedeutete, dass ihr wahrer Mörder gefunden wurde, wäre es ihr so vielleicht sogar lieber gewesen.
„Gleich nach der Bestattung und dem Beginn der Wahlen“, fuhr Abe fort, „stellt jede Familie einen Kandidaten für die Krone auf, jedenfalls jede, die das tun will – und natürlich werden sie es wollen. Ihr habt noch nie eine Königswahl erlebt, nicht wahr? Es ist ein ziemliches Spektakel. Natürlich werden alle Kandidaten vor der Abstimmung geprüft werden müssen.“
Die Art, wie er geprüft sagte, hatte etwas Unheilvolles an sich, aber Lissa war mit den Gedanken ganz woanders. Tatiana war die einzige Königin, die sie je gekannt hatte, und die Bedeutung eines Regimewechsels fühlte sich atemberaubend an. „Ein neuer König oder eine neue Königin kann alles verändern – zum Besseren oder zum Schlimmeren. Ich hoffe, es wird jemand gewählt, der sich gut dazu eignet. Vielleicht einer der Ozeras. Einer von Tashas Leuten.“ Sie sah Christian hoffnungsvoll an, der aber nur die Achseln zucken konnte. „Oder Ariana Szelsky. Ich mag sie. Nicht, dass es eine Rolle spielt, wen ich bevorzuge“, fügte sie voller Bitterkeit hinzu. „Schließlich kann ich nicht mit abstimmen.“ Die Abstimmung des Rats entschied über den Sieger der Wahl, also war Lissa wieder einmal von dem juristischen Prozedere der Moroi ausgeschlossen.
„Die Nominierungen werden viel Arbeit erfordern“, erklärte Abe und wich ihrer letzten Bemerkung aus. „Alle Familien werden jemanden haben wollen, der ihre Interessen vertritt, aber es muss auch jemand sein, der
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