Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
wurde. Lissa machte sich Sorgen um ihn, aber wie ich wusste, würde seine Selbstbeherrschung als Wächter dafür sorgen, dass er sich an die abgesprochene Geschichte hielt. Wahrscheinlich würde er nicht – wie Lissa – auf die Tränendrüse drücken können, aber er mochte sich vermutlich genauso schockiert über meinen Verrat zeigen wie sie.
Tasha verließ Christian und Lissa, sobald sie draußen waren, nachdem sie sie zuvor noch gewarnt hatte, sie sollten vorsichtig sein. „Ihr habt bisher den Kopf aus der Schlinge ziehen können, aber ich glaube nicht, dass der Verdacht der Wächter gegen euch endgültig zerstreut ist. Das gilt vor allem für Hans.“
„He, ich kann schon auf mich selbst aufpassen“, sagte Christian.
Tasha verdrehte die Augen. „Ja sicher. Ich sehe, was passiert, wenn man dich dir selbst überlässt.“
„Jetzt werd doch nicht gleich sauer, nur weil wir dir nichts davon erzählt haben“, rief er. „Wir hatten keine Zeit, und wir konnten doch nicht eine unbegrenzte Anzahl von Personen in die Sache hineinziehen. Außerdem hast du früher schon viele verrückte Pläne geschmiedet.“
„Stimmt“, gab Tasha zu. Sie war kaum ein Vorbild, wenn es darum ging, Spielregeln einzuhalten. „Es ist nur so, dass alles viel komplizierter geworden ist. Rose ist auf der Flucht. Und jetzt Dimitri .... “ Sie seufzte. Sie brauchte den Satz gar nicht zu beenden; ich erriet auch so, was sie dachte. In ihren Augen zeigte sich ein tiefer Kummer, was mir Gewissensbisse bereitete. Genau wie wir hatte Tasha gewollt, dass Dimitris Ruf wiederhergestellt werden sollte. Durch die Befreiung einer angeklagten Königsmörderin hatte er fast jede Chance vertan, jemals wieder akzeptiert zu werden. Ich wünschte wirklich, er hätte sich nicht an dem Gefängnisausbruch beteiligt, und hoffte, dass mein gegenwärtiger Fluchtplan auch Erfolg hätte.
„Es wird schon alles gut gehen“, sagte Christian. „Du wirst sehen.“ Er wirkte allerdings nicht so zuversichtlich, während er sprach, und Tasha bedachte ihn mit einem kleinen, erheiterten Lächeln.
„Sei einfach vorsichtig. Bitte. Ich will dich nicht auch noch in einer Zelle sehen. Bei allem anderen, was hier los ist, habe ich jetzt keine Zeit für Gefängnisbesuche.“ Ihre Erheiterung schwand, und sie war schnell wieder die forsche Aktivistin. „Unsere Familie benimmt sich lächerlich. Kannst du glauben, dass sie tatsächlich davon sprechen, Esmond für uns kandidieren zu lassen? Gütiger Gott! Wir haben hier bereits eine Tragödie nach der anderen gehabt. Wir sollten doch zumindest versuchen, etwas aus diesem Schlamassel zu retten.“
„Ich glaube nicht, dass ich Esmond kenne“, sagte Christian.
„Dummkopf“, erwiderte sie sachlich. „Er, meine ich. Nicht du. Jemand muss unsere Familie zur Vernunft bringen, bevor sie sich blamiert.“
Christian grinste. „Und lass mich raten: Dafür bist du genau die Richtige?“
„Natürlich“, antwortete sie mit einem boshaften Funkeln in den Augen. „Ich habe bereits eine Liste idealer Kandidaten erstellt. Unsere Familie braucht nur ein klein wenig Überredung, um einzusehen, wie ideal sie tatsächlich sind.“
„Sie würden mir ja leidtun, wenn sie sich uns gegenüber nicht wie solche Arschlöcher aufführten“, bemerkte Christian, während er seiner Tante nachsah. Das Stigma der Verwandlung seiner Eltern in Strigoi war auch nach all diesen Jahren noch nicht verflogen. Tasha akzeptierte es mit mehr Würde – obwohl sie sich darüber beklagte –, allerdings nur, damit sie an den größeren Entscheidungen der Familie Ozera teilhaben konnte. Christian war nicht auf die gleiche Weise um Höflichkeit bemüht. Es war schon schrecklich, nicht wie ein echter Moroi behandelt zu werden, keine Wächter zu bekommen sowie noch andere Dinge, auf die Mitglieder der Königsfamilie ein Anrecht hatten. Aber wenn dies auch noch von seiner eigenen Familie kam? Das war besonders schlimm. Er weigerte sich, so zu tun, als wäre es akzeptabel.
„Sie werden sich irgendwann schon beruhigen“, sagte Lissa und klang dabei zuversichtlicher, als sie sich fühlte.
Jedwede Antwort Christians ging unter, als ein neuer Gefährte sich ihnen anschloss: mein Vater. Sein jähes Erscheinen erschreckte meine Freunde, aber mich überraschte es gar nicht. Er wusste wahrscheinlich von Lissas Verhör und hatte draußen vor dem Gebäude herumgelungert, um mit ihr reden zu können.
„Es ist so schön da draußen“, sagte Abe leutselig und
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