Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
Verlorenen gekämpft oder auch nur welche zu Gesicht bekommen. Sie machen uns wirklich nicht zu schaffen.“
Das war überraschend. Wenn es jemals eine Zielscheibe für Strigoi gegeben hätte, dann wäre es eine Gruppe von Moroi, Dhampiren und Menschen mitten im Nirgendwo. „Warum nicht?“, fragte ich.
Raymond zwinkerte mir zu. „Weil wir uns wehren.“
Ich grübelte noch über seine rätselhafte Bemerkung nach, während sich die Familie zum Essen hinsetzte. Wieder einmal dachte ich an die Bereitschaft der gesamten Gemeinschaft zu kämpfen, als wir am vergangenen Tag eingetroffen waren. Reichte das wirklich aus, den Strigoi Angst einzujagen? Nicht vieles machte ihnen nämlich Angst, aber vielleicht waren gewisse Dinge einfach zu lästig, um sich damit abzugeben. Ich fragte mich, was Dimitri wohl dazu sagen würde. Seine eigene Familie stammte aus einer Gemeinschaft, die sich ein wenig vom Leben des Durchschnittsmoroi abschirmte, wenn auch nicht so sehr wie diese Leute hier.
All das ging mir durch den Kopf, während wir aßen und redeten. Die Hüter hatten noch immer viele weitere Fragen über uns und Tatiana. Die Einzige, die sich nicht am Gespräch beteiligte, war Angeline. Sie aß so wenig wie Sydney und beobachtete mich die ganze Zeit mit finsterer Miene.
„Wir brauchen einige Sachen“, sagte Sydney plötzlich und mitten in eine meiner gruseligen Geschichten hinein. Es machte mir zwar nichts aus, aber die anderen wirkten doch enttäuscht. „Wo ist die nächste Stadt mit einem Café .... oder einem Restaurant?“
„Na ja“, erwiderte Paulette. „Rubysville liegt etwas über eine Stunde in nördlicher Richtung. Aber wir haben hier genug zu essen für euch.“
„Es geht nicht ums Essen“, warf ich schnell ein. „Ihr Essen war großartig.“ Ich sah Sydney an. „Eine Stunde ist nicht so schlimm, stimmt’s?“
Sie nickte und sah dann zögernd zu Raymond hinüber. „Könnten wir vielleicht .... könnten wir uns vielleicht einen Wagen leihen? Ich werde .... “ Die nächsten Worte taten ihr sichtlich weh. „Ich lasse die Schlüssel für meinen hier, bis wir zurückkommen.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Sie haben einen hübschen Wagen.“
Sydney zuckte die Achseln. „Je weniger wir hier damit herumfahren, desto besser.“
Er erklärte uns, dass wir seinen Laster nehmen könnten und dass er ihren Wagen wahrscheinlich nicht einmal benötigen werde. Sydney schenkte ihm ein gepresstes Dankeslächeln, aber ich wusste, dass ihr Bilder von Vampiren, die eine Vergnügungsfahrt in ihrem Wagen unternahmen, durch den Kopf tanzten.
Kurz danach brachen wir auf und wollten vor Sonnenuntergang wieder zurück sein. Die Leute in der Kommune verrichteten ihre Arbeiten oder was sie eben sonst mit ihrem Leben anfingen. Eine Gruppe von Kindern saß um einen Dhampir herum, der ihnen aus einem Buch vorlas, und ich fragte mich, was für eine Ausbildung sie hier wohl genossen.
Alle Hüter hielten in ihrem jeweiligen Tun inne, wenn wir vorbeikamen, und warfen uns entweder neugierige Blicke zu oder lächelten uns freundlich an. Ich lächelte gelegentlich auch mal zurück, hielt den Blick aber die meiste Zeit geradeaus gerichtet. Joshua begleitete uns zurück zum Parkplatz, wobei es ihm gelang, neben mir herzugehen, als wir den schmalen Pfad erreichten.
„Hoffentlich seid ihr nicht so lange weg“, sagte er. „Ich hätte gern noch mehr mit dir gesprochen.“
„Klar“, erwiderte ich. „Das würde Spaß machen.“
Seine Miene hellte sich auf, und ritterlich schob er mir einen tief hängenden Ast aus dem Weg. „Vielleicht kann ich dir meine Höhle zeigen.“
„Deine – Moment mal! Was? Lebst du nicht bei deinem Vater?“
„Im Augenblick noch. Aber ich bekomme bald meine eigene Wohnung.“ In seiner Stimme schwang Stolz mit. „Sie ist natürlich nicht so groß wie seine, aber es wird immerhin ein guter Anfang sein. Die Höhle ist fast fertig.“
„Das ist wirklich, ähm, wunderbar. Du musst sie mir ganz bestimmt zeigen, wenn wir zurück sind.“ Die Worte kamen mir leicht über die Lippen, aber im Geiste sann ich über die Tatsache nach, dass Raymonds Haus anscheinend als groß galt.
Joshua trennte sich von uns, als wir Raymonds Truck erreichten, einen großen roten Pick-up mit einem Sitz, der nur mit knapper Not Platz für uns drei bieten würde. Wenn man bedachte, dass die Hüter den Wald nicht oft verließen, machte der Truck den Eindruck, als hätte er eine ganze Menge Meilen gesehen. Oder
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