Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
vielleicht war er auch einfach viele Jahre nicht mehr benutzt worden.
„Du solltest ihm nicht solche Hoffnungen machen“, sagte Dimitri, als wir ungefähr zehn Minuten unterwegs waren. Überraschenderweise hatte ihm Sydney das Lenkrad überlassen. Wahrscheinlich war sie der Ansicht, dass ein männlicher Truck auch einen männlichen Fahrer verdiente.
Da wir jetzt unterwegs waren, konnte ich mich wieder auf die vor uns liegende Aufgabe konzentrieren: die Suche nach dem anderen Dragomir. „Hm?“
„Joshua. Du hast mit ihm geflirtet.“
„Hab ich nicht! Wir haben nur geredet.“
„Bist du nicht mit Adrian zusammen?“
„Ja!“, rief ich und funkelte Dimitri an. Sein Blick war auf die Straße gerichtet. „Und das ist auch der Grund, warum ich nicht geflirtet habe. Wie kannst du in dieses Gespräch so viel hineinlegen? Joshua mag mich nicht mal auf .... diese Weise.“
„Eigentlich“, bemerkte Sydney, die zwischen uns saß, „tut er genau das.“
Nun richtete ich meine Ungläubigkeit gegen sie. „Woher willst du das wissen? Hat er dir in der Klasse ein Zettelchen rübergereicht oder so?“
Sie verdrehte die Augen. „Nein. Aber du und Dimitri, ihr werdet im Lager wie Götter behandelt.“
„Wir sind Außenseiter“, rief ich ihr ins Gedächtnis. „Verdorben.“
„Nein. Ihr seid abtrünnige Strigoi-und Königinnenmörder. Es mag ja nur südlicher Charme und Gastfreundschaft gewesen sein, aber diese Leute können sich auch als echte Wilde aufführen. Sie legen sehr viel Wert darauf, jemanden zusammenschlagen zu können. Und wenn man bedenkt, wie heruntergekommen die meisten von ihnen sind, seid ihr beide .... na also .... sagen wir einfach, ihr beide seid so ziemlich das Heißeste, was dort seit einer Weile aufgetaucht ist.“
„Du bist aber nicht heiß?“, fragte ich.
„Das ist bedeutungslos“, erwiderte sie, von der Bemerkung aber doch ein wenig aus dem Konzept gebracht. „Alchemisten haben sie nicht mal auf ihrem Radar. Wir kämpfen nicht. Sie halten uns für schwach.“
Ich dachte an die verzückten Gesichter zurück und musste zugeben, dass viele Leute dort tatsächlich einen verwitterten, abgenutzten Eindruck machten. Fast jedenfalls. „Die Mitglieder von Raymonds Familie sehen ziemlich gut aus“, stellte ich fest. Ich hörte ein Grunzen vonseiten Dimitris, der diese Bemerkung zweifellos als Beweis dafür wertete, dass ich mit Joshua flirtete.
„Ja“, sagte sie. „Weil sie wahrscheinlich die wichtigste Familie vor Ort sind. Sie ernähren sich besser, und sie brauchen wahrscheinlich auch nicht so viel draußen in der Sonne zu arbeiten. So etwas bedeutet schon einen Unterschied.“
Während wir die Fahrt fortsetzten, wurde das Thema nicht mehr weiter behandelt. Wir erreichten Rubysville in einer guten Zeit. Der Ort ähnelte auf unheimliche Weise der ersten Stadt, in der wir abgestiegen waren. Nachdem wir vor dem gehalten hatten, was offenbar Rubysvilles einzige Tankstelle war, lief Sydney hinein, um einige Erkundigungen einzuziehen. Sie kam wieder zurück und berichtete, dass es in der Tat eine Art Café gebe, wo sie ihren Laptop anschließen und nachschlagen konnte, was wir brauchten.
Sie bestellte Kaffee, und wir saßen dort bei ihr, noch zu gesättigt vom Frühstück, um etwas Nahrhaftes zu bestellen. Nach einigen schmutzigen Seitenblicken einer Kellnerin, die offenbar glaubte, dass wir in dem Café nur herumlungern wollten, beschlossen Dimitri und ich, einen Spaziergang durch die Stadt zu unternehmen. Sydney schien sich darüber beinahe ebenso zu freuen wie die Kellnerin. Ich glaube, sie hatte uns nicht gern in ihrer Nähe.
Ich hatte Sydney wegen West Virginia schwer zugesetzt, musste jedoch zugeben, dass die Landschaft wunderschön war. Hohe Bäume voller Sommerlaub umgaben die Stadt, fast als wollten sie sie umarmen. Jenseits dieser Bäume ragten Berge auf, ganz anders als die, in denen ich in der Nähe von St. Vladimir groß geworden war. Diese Erhebungen waren sanft gewellt und grün und mit weiteren Bäumen bestanden. Die meisten der Berge um St. Vladimir herum waren dagegen felsig und gezackt gewesen und hatten häufig verschneite Gipfel gehabt. Eine seltsame Wehmut überkam mich bei dem Gedanken an Montana. Es war gut möglich, dass ich es nie wiedersehen würde. Wenn ich den Rest meines Lebens auf der Flucht verbrachte, war St. Vladimir der letzte Ort, an den ich gehen konnte. Wenn ich geschnappt wurde, na ja .... dann würde ich Montana ganz bestimmt nie
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