Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
übernehmen.“
Ich stimmte allem zu, was sie gerade gesagt hatte, aber mir kam der Gedanke, dass irgendjemand – wahrscheinlich Abe – meine Mutter über sämtliche verbotenen Aktivitäten der jüngsten Zeit ins Bild gesetzt haben musste, um sie an Bord zu holen. Er war entweder wirklich überzeugend, oder sie liebte mich sehr. Widerstrebend vermutete ich, dass beides zutraf. Wenn Moroi bei Hofe waren, brauchten ihre Wächter sie nicht auf Schritt und Tritt zu begleiten, sodass meine Mutter höchstwahrscheinlich frei sein würde, während sich Lord Szelsky hier aufhielt. Eddie hatte noch keinen Auftrag erhalten, weswegen er gleichfalls sehr flexibel war.
Lissa wollte gerade etwas sagen, da riss mich ein scharfer Ruck in meine eigene Realität zurück.
„Tut mir leid“, sagte Sydney. Sie hatte heftig auf die Bremse getreten. „Dieser Blödmann da hat mich geschnitten.“
Es war nicht Sydneys Schuld, aber ich ärgerte mich über die Störung und wollte sie schon anbrüllen. Mit einem tiefen Atemzug rief ich mir ins Gedächtnis zurück, dass ich lediglich unter den Nebenwirkungen von Geist stand und mich dadurch nicht zur Unvernunft verleiten lassen durfte. Das Gefühl würde verblassen, wie immer, doch ein Teil von mir wusste, dass ich diese Dunkelheit von Lissa nicht immer wieder übernehmen könnte. Ich wäre nicht immer imstande, das Ergebnis unter Kontrolle zu halten.
Da ich jetzt wieder bei mir selbst war, sah ich zu den Fenstern hinaus und erfasste unsere neue Umgebung. Wir befanden uns nicht mehr in den Bergen, sondern hatten ein städtisches Gebiet erreicht, und obwohl der Verkehr keineswegs dicht war (schließlich war es immer noch mitten in der menschlichen Nacht), waren eindeutig mehr Autos unterwegs, als wir seit einer geraumen Weile gesehen hatten.
„Wo sind wir?“, fragte ich.
„Kurz vor Lexington“, antwortete Sydney. Sie steuerte eine Tankstelle an, sowohl um zu tanken als auch, damit wir Donovans Adresse in ihr Navi eingeben konnten. Er wohnte etwa fünf Meilen entfernt.
„Nach allem, was ich höre, kein besonders großartiger Stadtteil“, bemerkte Dimitri. „Donovan betreibt ein Tätowierstudio, das nur nachts geöffnet hat. Einige andere Strigoi arbeiten mit ihm zusammen. Ihre Kundschaft setzt sich aus Partymenschen und betrunkenen Kiddies zusammen .... also aus Leuten, die leicht mal verschwinden können. Und es sind solche, die Strigoi lieben.“
„Eigentlich müsste der Polizei doch irgendwann mal auffallen, wenn Leute, die sich eine Tätowierung machen lassen, jedes Mal verschwinden“, warf ich ein.
Dimitri lachte rau. „Na ja, das Komische daran ist, dass sie nicht jeden töten, der hereinkommt. Tatsächlich tätowieren sie einige Leute und lassen sie dann gehen. In dem Studio wird auch gedealt.“
Ich musterte ihn neugierig, während Sydney wieder einstieg. „Du weißt aber wirklich ’ne Menge.“
„Ich hab es mir auch zur Aufgabe gemacht, eine Menge zu wissen, und auch Strigoi brauchen ein Dach überm Kopf. Tatsächlich bin ich Donovan einmal begegnet und weiß das meiste aus erster Hand. Ich habe bis jetzt einfach nur nicht gewusst, wo genau er arbeitet.“
„In Ordnung, also haben wir Informationen über ihn. Was stellen wir damit an?“
„Wir locken ihn heraus. Schicken ihm einen Kunden mit einer Nachricht von mir, dass ich ihn treffen müsse. Ich bin niemand, den er ignorieren kann – was heißen soll, den er ignorieren konnte – na egal. Sobald er draußen ist, bringen wir ihn zu einem Ort unserer Wahl.“
Ich nickte. „Ich kann das übernehmen.“
„Nein“, widersprach Dimitri. „Das kannst du nicht.“
„Warum denn nicht?“, fragte ich und überlegte, ob er die Unternehmung für mich wohl zu gefährlich hielt.
„Weil sie sofort, wenn sie dich sehen, wissen, dass du ein Dhampir bist. Wahrscheinlich riechen sie es zuerst. Kein Strigoi würde einen Dhampir für sich arbeiten lassen – nur Menschen tun das.“
Im Wagen trat unbehagliches Schweigen ein.
„Nein!“, sagte Sydney. „Das werde ich nicht machen!“
Dimitri schüttelte den Kopf. „Mir gefällt es auch nicht, aber uns bleiben nicht besonders viele Möglichkeiten. Wenn er glaubt, dass Sie für mich arbeiten, wird er Ihnen nichts tun.“
„Ach ja? Und was passiert, wenn er mir nicht glaubt?“, fragte sie.
„Das Risiko wird er kaum eingehen können. Er wird wahrscheinlich mit Ihnen gehen, um die Lage zu peilen. Dabei wird er im Hinterkopf haben, Sie umzubringen, falls Sie
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