Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
gelogen haben.“
Diese Worte hoben ihre Stimmung nicht gerade. Sie stöhnte.
„Du kannst sie nicht zu ihm schicken“, protestierte ich. „Sie werden wissen, dass sie eine Alchemistin ist. Eine Alchemistin würde auch nicht für Strigoi arbeiten.“
Daran hatte Dimitri zu meiner Überraschung nicht gedacht. Wir verstummten wieder, und nun war es Sydney, die die Lösung unerwartet präsentierte.
„Als ich in der Tankstelle war“, begann sie langsam, „gab es da ein Regal mit Make-up. Wir könnten wahrscheinlich den größten Teil meiner Tätowierung mit Puder überdecken.“
Und genau das taten wir. Der einzige Kompaktpuder, den die Tankstelle anzubieten hatte, passte zwar nicht besonders gut zu ihrer Hautfarbe, aber wir schmierten genug darauf, um die goldene Lilie auf ihrer Wange zu verdecken. Es half auch etwas, dass wir ihr das Haar ins Gesicht kämmten. Überzeugt davon, dass wir alles getan hatten, was wir tun konnten, machten wir uns auf den Weg zu Donovan.
Es war tatsächlich ein heruntergekommener Stadtteil. Einige Häuserblocks vom Tätowierstudio entfernt entdeckten wir etwas, das wie ein Nachtclub aussah. Aber davon abgesehen wirkte das Viertel recht verlassen. Ich ließ mich jedoch nicht täuschen. Dies war kein Ort, an dem man bei Nacht allein umherwandern wollte. Er schrie geradezu nach Raubüberfall. Oder Schlimmerem.
Wir kundschafteten die Gegend aus, bis Dimitri eine Stelle fand, die ihm gefiel. Es war eine Nebengasse, die von dem Tätowierstudio zwei Gebäude entfernt lag. Ein verbogener Stacheldrahtzaun stand auf einer Seite, während ein niedriges Ziegelsteingebäude die andere flankierte. Dimitri instruierte Sydney, wie sie den Strigoi zu uns führen solle. Nachdem sie alles verstanden hatte, nickte sie, aber ich erkannte doch die Angst in ihren Augen.
„Du müsstest Ehrfurcht heucheln“, erklärte er ihr. „Menschen, die Strigoi dienen, beten sie an – sie wollen ihnen unbedingt gefallen. Da sie so viel Zeit in der Nähe von Strigoi verbringen, sind sie nicht so erschrocken oder verängstigt. Ein klein wenig verängstigt sind sie natürlich schon, aber nicht so sehr wie Sie – im Augenblick.“
Sie schluckte. „Ich kann wirklich nicht anders.“
Sie tat mir leid. Schließlich war sie fest davon überzeugt, dass alle Vampire böse waren, und da schickten wir sie in ein Nest der schlimmsten Sorte und brachten sie dadurch in eine so große Gefahr. Ich wusste auch, dass sie erst einen einzigen lebenden Strigoi gesehen hatte, und trotz Dimitris Unterweisung könnte sie die Anwesenheit einer großen Anzahl völlig verstören. Wenn sie bei Donovans Anblick aber vor Schreck erstarrte, ginge alles zum Teufel. Aus einem Impuls heraus nahm ich sie in die Arme. Zu meiner Überraschung wehrte sie sich nicht.
„Du kannst das schaffen“, sagte ich. „Du bist stark – und sie haben zu große Angst vor Dimitri. Okay?“
Nach einigen tiefen Atemzügen nickte Sydney. Wir gaben ihr noch weitere ermutigende Worte mit auf den Weg, und dann bog sie um die Ecke des Gebäudes zu der Straße hin und verschwand aus unserem Gesichtsfeld. Ich warf Dimitri einen Blick zu.
„Vielleicht haben wir sie gerade in den Tod geschickt.“
„Ich weiß – aber wir können jetzt nichts tun“, sagte er mit grimmiger Miene. „Wir sollten uns lieber in Position bringen.“
Mit seiner Hilfe erreichte ich das Dach des niedrigen Gebäudes. Eigentlich war nichts Intimes an der Berührung, als er mich hochschob, aber ich verspürte einfach das gleiche knisternde Gefühl wie bei jeder anderen Berührung, und ich bemerkte auch wieder, wie leicht sich unsere Zusammenarbeit gestaltete. Sobald ich sicher auf Position war, machte sich Dimitri auf den Weg zu der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes, das Sydney umrundet hatte. Er begab sich gleich um die Ecke in Lauerstellung, und dann mussten wir bloß noch abwarten.
Das Warten war eine Qual – und das nicht nur, weil uns ein Kampf bevorstand. Meine Gedanken schweiften immer wieder zu Sydney ab – und zu dem, was wir von ihr verlangt hatten. Es war doch meine Aufgabe, die Unschuldigen vor dem Bösen zu bewahren – nicht, sie mitten hineinzustoßen. Was war denn, wenn unser Plan fehlschlug? Mehrere Minuten verstrichen, und endlich hörte ich Schritte und leise Stimmen, und gleichzeitig stieg die vertraute Welle von Übelkeit in mir auf. Wir hatten die Strigoi herausgelockt.
Drei von ihnen kamen um die Ecke des Gebäudes, Sydney an der Spitze. Als sie stehen
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