Vampire bevorzugt
wie Myrna Thornton auf der Suche nach Tara einmal das Haus meiner Großmutter auf den Kopf stellte und dabei alle ihre Einwände einfach ignorierte, bis Großmutter schließlich die Polizei rief, die Myrna aus dem Haus zerrte. Tara war fluchtartig durch die Hintertür im Wald hinter unserem Haus verschwunden, als sie die Gestalt ihrer Mutter heranwanken sah, Gott sei Dank. Da waren Tara und ich dreizehn gewesen.
Ich sehe noch den Gesichtsausdruck meiner Großmutter vor mir, während sie mit dem stellvertretenden Sheriff sprach, der soeben Myrna Thornton auf den Rücksitz des Streifenwagens gedrängt hatte, in Handschellen und laut schreiend.
»Zu schade, dass ich sie auf dem Rückweg in die Stadt nicht einfach im Sumpf versenken kann«, sagte der stellvertretende Sheriff. Ich erinnere mich nicht an seinen Namen, aber seine Worte hinterließen einen bleibenden Eindruck bei mir. Es dauerte einen Moment, bis ich wirklich begriffen hatte, was er meinte. Doch dann wurde mir klar, dass auch andere Leute wussten, was Tara und ihre Geschwister durchmachten. Und diese anderen Leute waren Erwachsene in machtvollen Positionen. Wenn sie davon wussten, warum lösten sie das Problem dann nicht?
Jetzt verstand ich natürlich irgendwie, dass das nicht so einfach war; aber ich bin immer noch der Überzeugung, dass den Thornton-Kindern einige Jahre Leid hätten erspart werden können.
Nun hatte Tara zumindest dieses kleine ordentliche Haus mit all den neuen Haushaltsgeräten, einen Schrank voller Kleider und einen reichen Freund. Ich hatte das ungute Gefühl, dass ich nicht von allem wusste, was sich in Taras Leben abspielte, doch von außen betrachtet war sie meilenweit von allen schlechten Sozialprognosen entfernt.
Ihrem Wunsch entsprechend ging ich durch die blitzblanke Küche, bog nach rechts ab und durchquerte eine Ecke ihres Wohnzimmers, um zur Tür ihres Schlafzimmers zu gelangen. Tara hatte an diesem Morgen keine Zeit gehabt, ihr Bett zu machen. Im Nu zog ich die Laken glatt und richtete alles schön her. (Ich konnte einfach nicht anders.) Mir war selbst nicht genau klar, ob ich ihr nun einen Gefallen getan hatte, denn jetzt wusste sie, dass ich etwas gegen ungemachte Betten hatte. Aber ich brachte es einfach nicht fertig, alles wieder durcheinander zu bringen.
Ich öffnete ihren begehbaren Kleiderschrank und entdeckte sofort, was ich brauchte. An der hinteren Kleiderstange hing ein Wollkostüm. Das Jackett war schwarz mit pastellrosa Paspeln an den Ärmelaufschlägen und passte zu der darunter hängenden, farblich abgestimmten rosa Bluse. Dazu gehörte ein schwarzer Faltenrock. Tara hatte ihn kürzen lassen; das Etikett der Änderungsschneiderei hing noch an dem durchsichtigen Kleidersack, der das Kostüm umhüllte. Ich hielt mir den Rock vor den Körper und sah in Taras mannshohen Spiegel. Tara war fünf oder sieben Zentimeter größer als ich, so dass der Rock gut meine Knie bedeckte - die ideale Länge für eine Beerdigung. Die Ärmel des Jacketts waren etwas zu lang, aber das fiel nicht weiter auf. Ich besaß schwarze Pumps, eine schwarze Tasche und sogar schwarze Handschuhe, die ich für besondere Gelegenheiten aufbewahrte.
Die Aufgabe war ausgeführt, in Rekordzeit.
Ich legte das Jackett und die Bluse zum Rock in den Kleidersack und verließ Taras Haus auf direktem Weg. Ich war keine zehn Minuten drin gewesen. In aller Eile, weil ich um zehn ja noch eine Verabredung hatte, machte ich mich zurecht. Ich flocht mir einen französischen Zopf, rollte das lose Ende darunter und steckte alles mit ein paar altmodischen Haarnadeln meiner Großmutter fest. Zum Glück fand ich noch eine schwarze Strumpfhose und auch ein schwarzes Unterkleid, und das Dunkelrot meiner Fingernägel harmonierte zumindest mit dem Pastellrosa des Jacketts und der Bluse. Als es um zehn an meiner Vordertür klopfte, war ich fertig, nur die Schuhe fehlten noch. Auf dem Weg zur Tür schlüpfte ich in meine Pumps.
Jack Leeds sah mich ob meiner Verwandlung offen erstaunt an, während Lily die Augenbrauen hob.
»Kommen Sie doch herein. Ich muss noch auf eine Beerdigung, daher mein Aufzug.«
»Hoffentlich müssen Sie keinen Freund zu Grabe tragen«, sagte Jack Leeds. Das Gesicht seiner Gefährtin hätte aus weißem Marmor gemeißelt sein können. Hatte diese Frau noch nie etwas von einem Solarium gehört?
»Kein enger Freund. Wollen Sie nicht Platz nehmen? Darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee?«
»Nein, danke«, erwiderte er mit einem
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