Vampire Earth 2 - Wolfsdämmerung
dadurch wirkte er auf mich wie ein Onkel oder so. Wir müssen das am schlimmsten anzusehende Paar auf der Tanzfläche gewesen sein. Ich bin mehr oder weniger auf der Prothese herumgehoppelt, und er hatte einen Arm in der Schlinge. Wir torkelten durch einen Walzer, und ich wusste, dass alle uns bemitleideten - oder vielmehr mich, nehme ich an. Also ist er zum Orchester gegangen und hat sie gebeten, eine Polka zu spielen. Bei einer Polka kann man gewissermaßen hoppeln, und ehe ich es mich versah, flogen wir über die Tanzfläche. Ich habe mich an seinen Schultern festgehalten, und er ist irgendwie herumgesprungen und hat mich mitgenommen. Die Musiker haben schneller gespielt, und er hat uns in einem immer weiteren Kreis herumgewirbelt. Die Leute sind uns aus dem Weg gegangen, um nicht umgerannt zu werden. Als das Stück vorbei war, standen wir mitten in diesem großen Kreis anderer Menschen, und sie haben applaudiert.
Mein Blick fiel auf einen Spiegel, und da sah ich dieses breite Grinsen in meinem Gesicht. Ich habe gelacht und geweint und nach Luft geschnappt, alles zur gleichen Zeit, und ich war sehr, sehr glücklich. Ihr Vater hat mich angesehen und gesagt: ›Manchmal muss man nur ein anderes Lied spielen.‹«
Sie starrte die Wand an, die mit schlecht gedruckten Flugblättern gepflastert war, aber Valentine sah, dass die Wand für sie gar nicht da war, sondern nur ein großer Saal mit einem Orchester, Essen und Tänzern in irgendeiner kaputten Ecke des Kommandos Süd. Nach einem Moment der Stille kehrte Colonel Chalmers in die Gegenwart zurück.
»Ich las, Sie haben Ihre Eltern verloren. Wie alt waren Sie?«
»Elf.«
»Ich habe ihn gar nicht richtig gekannt, von diesem Tanz und dem anschließenden Geplauder abgesehen. Er war irgendwie distanziert, wenn auch auf eine nette Art, und ich glaube, die Verwundung hat ihn schwer getroffen. Kurz danach hat er das Freie Territorium verlassen, ist nach Minnesota gezogen und hat Ihre Mutter geheiratet, nicht wahr?«
Valentine kam mit seinen eigenen Erinnerungen an seine Familie zurecht. Die anderer Leute weckten in ihm ein Gefühl der Sehnsucht, den Wunsch, noch einmal mit seinen Eltern sprechen zu können.
»Ich wusste damals nicht einmal, dass er Soldat war. Der Mann, der sich nach dem Tod meiner Eltern um mich gekümmert hat, hat es zwar nicht geheim gehalten, aber ich glaube, er wollte, dass ich meinen Weg auf meine eigene Weise finde.«
»Sie fragen sich vermutlich, worauf ich mit dieser Geschichte hinauswollte. Ich endete als Disziplinaranwalt
und fand nie irgendetwas anderes, was ich wenigstens halb so gut konnte. Ich wollte Ihnen sagen, dass Sie vielleicht auch ein anderes Lied spielen müssen, gewissermaßen.
Viel Glück, Valentine.«
»Danke, Sir.« Er salutierte, ging hinaus und schloss die Tür.
»Die verlieren keine Zeit«, sagte sie leise, aber nicht leise genug, als er die Tür geschlossen hatte. Valentine besaß immer noch sein Wolfsgehör, wenn er auch seinen Offiziersrang verloren hatte; sie hätte ebenso gut brüllen können.
Sie verlieren keine Zeit. Er nickte dem Assistenten zu, der vor der Tür herumlungerte, während er in Gedanken bereits ihre Worte analysierte. Wollte ihn jemand aus irgendeinem Grund aus dem Rudel haben? Duvalier schien für eine so junge Frau eine äußerst erfahrene Katze zu sein, aber konnte sie genug Einfluss haben, um dafür zu sorgen, dass er aus der Wolfsbrigade ausgeschlossen wurde, damit er ihr bei der Jagd nach dem Verbogenen Kreuz helfen konnte? Er bezweifelte es.
Er verließ die Schule. Die schwer arbeitenden Bewohner Montgomerys waren auf den Feldern rund um die Stadt beschäftigt. Eine Schafsherde passierte das Haupttor unter der Aufsicht eines Jungen und zweier Hunde. Valentine betrachtete ihre dichte Wolle - sie waren bereit für die Frühjahrsschur.
Duvalier kam um eine Ecke. Sie hatte ihr Bündel geschultert, trug Valentines Deckenrolle in der linken Hand und winkte mit einem Gehstock mit einem Lederriemen, den sie in der Rechten hielt.
»Das ging schnell, Valentine.«
»Es dauert lange, eine Karriere aufzubauen, aber kaputt machen kann man sie binnen weniger Minuten.«
Sie reichte ihm sein Bündel. »Cracker und Käse als Proviant für unsere Reise. Ich kann schon lange kein Trockenfleisch mehr sehen, also habe ich uns eine Drei-Pfund-Wurst besorgt. Kohl, Steckrüben und Rote Bete. Ich koche einen recht guten Borschtsch. Mehl war kaum und Reis gar nicht zu bekommen, jedenfalls nicht für
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