Vampire Earth 2 - Wolfsdämmerung
lesen. Alles über Gifte, Explosivstoffe, Pülverchen natürlicher oder künstlicher Machart, die den Gegner blenden oder krank machen konnten. Säuren und Basen. Eine ergraute alte Katze, zahnlos und bucklig, lehrte ihn, alles zu sabotieren, von einem Panzermotor über hydraulische Bremsen bis zu einer einfachen Wasserpumpe.
Er lernte, mit seinen Klauen zu klettern und zu kämpfen. Duvalier wies ihn an, sie stets in den Außentaschen eines alten Mantels zu tragen, so dass er lediglich die Hände in die Taschen stecken musste, um sich zu bewaffnen. Er kratzte, kletterte und parierte mit ihnen, bis sie sich anfühlten wie alte Freunde, doch auch das war nicht gut genug. Duvalier ließ ihn solange üben, bis es war, als wären sie natürliche Bestandteile seines Körpers. Einige der anderen Katzen in Ausbildung schüttelten die Köpfe und belächelten heimlich Duvaliers Fixierung auf die Klauen.
»Zeitverschwendung«, sagte einer von ihnen beim Abendessen. »Am Ende benutzt man sie in hundert Kämpfen vielleicht einmal, hat man mir erzählt.«
Welles hörte, was er sagte, und wandte sich erzürnt dem Aspiranten zu. »Dieses eine Mal unter hundert wird Ghost überleben. Du nicht.«
Dann und wann tauchte Ryu auf und nahm sich Valentines an, um seinen Geist zu trainieren. Zunächst musste Valentine lernen, seine Aura im Ruhezustand zu dämpfen, und als die Zeit voranschritt, musste er das Gleiche tun, während er rannte oder kletterte oder mit dem Schwert übte. Er hatte die Grundlagen über das Verheimlichen seiner Lebenszeichen in dem Sommer nach seiner Weihung zum Wolf von einer alten Katze namens Eveready gelernt. Nun lernte er bei dem Weltenweber, der sie Eveready gelehrt hatte.
Valentine gelang es, Ryu zufriedenzustellen, wenn er sich im Ruhezustand befand, aber in Aktion rügte der Weltenweber ihn ein ums andere Mal. Eines Nachmittags, als er unter den Augen des Weltenwebers einen steinigen Bach durchquerte, hob Ryu einen Arm, das Signal, stehen zu bleiben. »Du bist immer noch in deinem eigenen Geist, David.«
Den naheliegenden Scherz, demzufolge eine »perfekte Katze« nie »ganz bei sich« war, musste er sich - wieder einmal - verkneifen.
»Sie sind kein Kur. Sie brauchen das nicht zum Überleben. Warum können Sie es fühlen?«
»Aura umfasst eine Menge Dinge, David. Gedanken, Emotionen, Befindlichkeiten, Ängste. Bis zu einem gewissen Grad bin ich imstande, das wahrzunehmen. Du übrigens auch. Das hat mehr mit Intuition als mit Mutmaßungen zu tun. Manchmal kann ich dich so einfach lesen, wie du das gedruckte Wort liest.«
»Sorry. Ich habe einen Fisch davonschnellen sehen.«
»Vergiss für eine Weile deinen leeren Magen.«
Valentine stand in dem knapp knietiefen Wasser und versuchte erneut, sich zurückzunehmen, ein Teil des Bachs und der Steine zu werden, statt der Reisende über ihnen zu sein.
»Die Energie, von der die Kur sich ernähren, das, was wir Lebenszeichen nennen, ist so individuell wie ein Fingerabdruck«, fuhr Ryu fort. »Und du gibst der Welt noch viel zu viel preis. Du musst der Wind über den Felsen sein, das Wasser, das seinem natürlichen Weg folgt, ein Mückenschwarm über diesem Baumstumpf da drüben.«
Valentine stellte sich vor, Teil des Bachs zu sein. Der Fisch, den er aufgeschreckt hatte, hielt wieder in Ruhe Ausschau nach einer Mahlzeit, die auf die Oberfläche des langsam dahinfließenden Gewässers fiel. Nur Wasser und Stein, Forellen …
»Hör auf zu denken, David. Lass dich treiben.«
Valentine folgte dem Wasser, ignorierte Fisch und Mücken, bis er neben Ryu stand.
»Besser. Jetzt sieh dir die Steine hinter dir an. Versuch, deinen Weg zurückzuverfolgen.«
Er kauerte sich zu Boden und suchte nach Abdrücken seiner Kampfstiefel auf den Steinen. Er war den Bach hinaufgegangen und wieder herausgestiegen, ohne einen Stein wegzustoßen oder eine verräterische Schlammspur zu hinterlassen.
Er sagte nichts, fühlte nur den Wind auf seiner Haut.
»Nun sei der Wind, und wir unterhalten uns wieder auf dem Gipfel dieses Hügels«, sagte Ryu und deutete auf einen mit Kalkstein bedeckten Hang.
Er arbeitete auch im Haus, sprang von Balken zu Balken, die Arme hinter den Rücken gebunden.
»Balance ist alles, Valentine«, brüllte Duvalier vom Boden zu ihm herauf, einen tiefen, harten Sturz weit unter ihm, als er vor einem Sprung für einen Sekundenbruchteil ins Schwanken geriet. »Sie schützt dich davor, im Kampf getroffen zu werden, sie sorgt dafür, dass du dein
Weitere Kostenlose Bücher