Vampire Earth 2 - Wolfsdämmerung
die zu unserer Kaste stoßen, passen sich meist schnell an. Es wird ständig jemand draußen vor der Tür sein. Wir behalten dich im Auge.«
Der Weltenweber ergriff mit beiden Händen Valentines blutverschmierte Linke, eine Geste, die irgendwo zwischen einem Händedruck und einer Verbeugung angesiedelt war. Duvalier nahm ihn fest in die Arme, ehe sie ihm die alte, weiße Narbe in ihrer linken Handfläche zeigte.
»Du machst das schon. Wir sehen uns in drei Tagen.«
Sie schlossen und verriegelten die Tür zu dem kleinen Raum. Bis hin zu dem kleinen Fenster in der Tür aus rohem Zedernholz kam er sich vor, als wäre er in einer Sauna. Eine Bank, deren Sitzfläche aus Holzlatten bestand, war das einzige Mobiliar, und der Abfluss in der Mitte des Raums diente offenbar als sanitäre Anlage. An der Wand befand sich ein Wasserhahn. Valentine drehte ihn versuchsweise auf. Kaltes Quellwasser stürzte auf den Boden hinab.
Sie hatten ihm einen Brocken aus Plastik und Leder hinterlassen, der ihn an den Kauknochen eines Hundes erinnerte. Er fühlte sich nicht unwohl, zumindest noch nicht, also breitete er das Handtuch auf der harten Holzbank aus und streckte sich darauf aus. Das Licht, das in den kleinen Raum hereindrang, fiel auf eine Ecke der Bank, und Valentine erkannte die Bissspuren menschlicher Zähne.
Die menschliche Psyche verfügt über eine wundervolle Befähigung, sich an schöne Dinge zu erinnern: der Geschmack eines vorzüglichen Mahls, das Gefühl, die Lippen eines geliebten Menschen auf den eigenen zu spüren. Dagegen ist sie stets bestrebt, die unschönen Dinge möglichst schnell abzulegen. Für diese Eigenschaft des Geistes sollte Valentine ewig dankbar sein; die drei Tage in diesem kleinen Raum gehörten zu den schlimmsten in seinem ganzen Leben.
Die ersten Zuckungen machten sich schon innerhalb der ersten Stunde bemerkbar, und bis zum Nachmittag
brüllten seine Muskeln vor lauter Bewegungsdrang. Er wollte rennen bis zum Umfallen. Schweiß troff von seinem Körper, in seinen Ohren pochte es, und das winzige bisschen Licht, das durch das Fenster hereindrang, schmerzte in seinen Augen. Er fühlte sich orientierungslos, haltlos. Der Raum schien ihm wie ein Korken, der auf einem Meer mit fünf Stockwerke hohen Wellen tanzte. Er übergab sich nicht - er hätte es zu gern getan, aber es wollte sich nicht annähernd genug Übelkeit einstellen, um ihm diese Erleichterung zu gewähren. Sein Magen krampfte sich immer wieder zusammen, und während er vor Spasmen zuckte, blieb ihm nur, seinem eigenen, übermäßig lauten Herzschlag zu lauschen. Um sein Herz daran zu hindern, ihm aus der Brust zu springen, rollte er sich zu einer fötalen Haltung zusammen und schlang die Arme um den Leib, führte einen Krieg gegen seinen inneren Drang, die Wände hinaufzukrabbeln, die Tür einzurennen und zu laufen, immer nur zu laufen, bis dieser elektrische Strom, der durch seinen Körper rann und ihn in den Wahnsinn treiben wollte, endlich versiegt wäre.
Er biss auf die Lederschlinge, um nicht laut zu schreien.
Am zweiten Tag war es besser. Die hölzerne Zelle schien sonderbar verformt, das Rotbraun der Wände sah stumpf und verblasst aus, die Schatten scharf umrissen. Aber der Raum kreiselte und taumelte nicht mehr um ihn herum; stattdessen schaukelte er vor und zurück wie eine Wiege unter den Händen einer besänftigenden Mutter.
Aber er wollte raus .
Er machte Liegestütze, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach, trank ein wenig Wasser und verlor das Bewusstsein, erlag einem Wirrwarr elektrisierender Alpträume.
Am dritten Tag war er verkatert, wie es schlimmer nicht hätte sein können. Sein leerer Magen schmerzte, sein Kopf
schmerzte, seine Hände wollten nicht aufhören zu zittern. Als Duvaliers Gesicht an dem kleinen Fenster auftauchte, warf er sich gegen das Glas, kratzte an der Tür, hinterließ eine Speichelspur, dort, wo er zu beißen versucht hatte.
Dann schlief er.
Als sie erneut auftauchte, war er zu erschöpft, irgendetwas zu tun.
Vorsichtig betrat sie den Raum, in der Hand ein Tablett mit einer flachen Schale mit Suppe. »Wie geht es dir, Cousin?«
Valentine sank benommen auf die Bank. »Ich bin schwach. Wie eine neugeborene Katze.«
Wie sich herausstellte, hatten sie ihm die Suppe gebracht, weil man allgemein der Meinung war, dass sein Martyrium vorüber war. Während er aß, ging Duvalier hinaus, um ihm etwas zum Anziehen zu beschaffen. Die Tür ließ sie offen stehen, um den muffigen kleinen Raum zu
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