Vampire Earth 4 - Saat der Nacht
belastet die Seele. Ich rieche alles sehr bewusst, Essen, Pflanzen, aufgewärmten Kaffee. Höre jedem zu.«
»Es gibt immer noch Hoffnung«, sagte er.
»Reden Sie das sich selbst ein oder nur allen anderen?«
»Sie haben uns noch nicht ausgelöscht. Sie sind nicht einmal nahe dran.«
»Das ist keine Antwort.«
Er gab ihr auch keine.
Sie drückte sich mit ihrer Schulter in der Dunkelheit an seine. »Sie sind ein komischer Vogel, Sir. Sie sehen so …«
»So was?«
»Vergessen Sie’s.«
»Ich würde gern wissen, was Sie denken. Wir können uns doch auch ein bisschen unterhalten.«
»Wie wäre es dann, wenn wir über den Schinken reden, den es gestern gab? Oder über die zur Neige gehenden Vorräte?«, sagte sie.
»Sie haben mich neugierig gemacht. Also, wie sehe ich aus?«
»Na ja, Sie sehen sanft aus, wollte ich sagen. Sie haben wirklich freundliche Augen. Manchmal auch ängstliche.
Wie in der Nacht, als sie die Schlächter geschickt haben.«
»Ich hatte auch Angst. Bis ich Sie mit diesem Bogen gesehen habe. Sie haben ausgesehen, als würden Sie nur Zielübungen machen.«
Sie sagte nichts, also brach er das Schweigen. »Da wir gerade bei dem Thema waren, ein Beispiel zu geben - ich sollte raufgehen und nachsehen …«
»Nein. Warten Sie noch eine Minute. Wir sind hier, es ist dunkel, und Sie riechen … tröstlich.«
»Ist das ein sanfter Geruch?«
»Sehen Sie, ich habe Sie gekränkt.«
»Nein. Es ist interessant, sich selbst durch die Augen eines anderen zu sehen. Zu erfahren, was ein anderer Mensch denkt.«
»Ich will, dass das vorbei ist. Ich bin hier unten im Dunkeln und tue so, als gäbe es keine Kämpfe, kein Krokodil. Keine Erinnerung an Martinez und seine Gang. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie gut es tut, wenn das alles mal nicht da ist.«
Er konnte es sich durchaus vorstellen. In der Vergangenheit hatte Valentine versucht, sich Erleichterung zu verschaffen, indem er sich in körperlicher Lust verloren hatte …
Sie saßen im Dunkeln, genossen die Wärme des anderen, die sich über ihre starken, muskulösen Schultern übertrug.
»Sir, warum sind Sie, was Sie sind?«, fragte Styachowski.
»Sie meinen eine Katze? Übrigens reicht ›David‹ oder ›Val‹, solange ich hier herumsitze.«
»Okay, Val. Warum?«
»Wie wäre es, wenn Sie anfangen?«
»Ich bin Soldat geworden, weil ich wusste, dass ich kämpfen kann. Als ich klein war, so ungefähr sechs Jahre
alt, hatte ich eine Rauferei mit einem Jungen, der zwei Jahre älter war. Ich habe ihn plattgemacht. Und wenn ich sage ›plattgemacht‹, dann meine ich ›plattgemacht‹. Er ist im Krankenhaus gelandet. Danach hat meine Mom mir von meinem Dad erzählt. Er war ein Bär in einer Kolonne, die von einem Kampf in Oklahoma zurückgekommen ist. Irgendwie ist meine Mom auf ihn aufmerksam geworden, und sie haben eine Nacht miteinander verbracht, ehe er weitergezogen ist. Sie hat gesagt, sie hätte gar nicht nachgedacht - das wäre nur eine patriotische Pflicht gewesen, so hat sie es genannt; neun Monate später war ich da. Sie sagte, diese Jäger wären wie wilde Tiere, und ich müsste mich beherrschen und dürfte nie die Kontrolle verlieren. Der Doc sagte, das wäre nur Aberglauben, aber ich weiß nicht so recht.«
»Ihre Mom hatte vielleicht Recht. Mein Vater war auch ein Bär.«
»Und Sie sind dazugestoßen, um wie er zu sein?«
»So was in der Art. Ich glaube, das war meine Art, mehr über ihn zu erfahren. Er war da schon tot.«
Sie schniefte leise. »Tut mir leid.«
»Und die Bären wollten Sie nicht?«
»Nein. Aber ich will immer noch einer sein. Das ist, als hätte ich ein Monster in mir, das raus will, das kämpfen will. Ich fürchte, wenn das Monster nicht raus kann, um einen Feind zu vernichten, wird es irgendwann auf eine andere Art rauskommen.«
Valentine war noch nie zuvor jemandem begegnet, der in dem gleichen Dilemma steckte wie er. Nach einem Moment fragte er: »Fürchten Sie, Sie könnten eine Gefahr für andere sein?«
»Ich dachte eher an mich selbst.«
Valentine wischte sich den Schmutz von den Knien. »Ich habe mich gefragt, wie das Leben meines Vaters war,
als er für die Sache gekämpft hat, und was ihn dazu gebracht hat, aufzugeben und in den Northwoods zu leben. Inzwischen frage ich mich nur noch, wie er so lange hat durchhalten können. Aber es gab noch andere Gründe. Ich glaube an die Sache. Ich habe keine Zeit für Leute, die nach dem Motto leben: ›Alles ist vorbei, wir haben verloren,
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