Vampire Earth 4 - Saat der Nacht
Carolines fordern würden, bereitete Valentine Übelkeit. Wieder war seine Mutter vergewaltigt und ermordet worden, und wieder
trottete er gerade zur rechten Zeit nach Hause, um den Schrecken zu erleben. Er konnte die Worte nicht zurückhalten. »Solange wir Anweisungen befolgen.«
Solon musterte ihn mit einem Ausdruck traurigen Verständnisses, dazu war sein Gesicht mit diesen Bassetaugen wie geschaffen.
»Le Sain, hätten Sie die Geschichte Chinas studiert, wüssten Sie, wie oft es besiegt wurde, von Mongolen ebenso wie von den Briten. Aber nach ein oder zwei Generationen war es doch wieder China. So ist es auch mit diesem Land. Wir werden die Kur absorbieren; wenn die Kämpfe vorbei sind, werden wir das Land wieder aufbauen. Sie sind mächtige Gestalten, ja, wie die führenden Köpfe von Unternehmen oder Regierungen. Wahre Macht entsteht stets über Oligarchie. Dieses Mal sind eben die Kur die Oligarchen. Aber den Lohn kassieren die, bei denen die Fäden zusammenlaufen, die, die dafür sorgen, dass die Maschinerie funktioniert. Eine neuer Rechtsstaat wird entstehen, wir werden eine Legislative haben, Gerichte, Steuern und Mautstraßen.«
»Das werden sie zulassen?«
»Warum nicht?«
»Rechtsstaatlichkeit und all das könnte den Fluss der Lebensauren eindämmen.«
Solon beugte sich vor, legte die Fingerspitzen unter das Kinn und senkte die Stimme. »Was bringt Sie auf die Idee, dass ich das erreichen will?«
»Ich bin nicht sicher, ob ich folgen kann, Sir.«
»Jede Gesellschaft besitzt ihren Anteil an Schmarotzern; die Lernunfähigen, die Unproduktiven, die Krüppel, die Kranken. Dann sind da auch noch die Kriminellen. Die Zivilisation hat für ihre Aufrechterhaltung schon immer einen Preis bezahlt. Nun, da die Kur auf dem Thron sitzen, werden diese Leute auf diesem Scheiterhaufen brennen
anstelle derer, die begabt sind. Im Gegensatz zu der planlosen, tyrannischen Vorgehensweise von heute wird künftig alles in geregelten Bahnen laufen. Gerichte und gewählte Amtsträger werden entscheiden und dieser Zufallsauswahl ein Ende machen. Die Räuberbarone bekommen immer noch, was sie wollen, aber es wird nicht mehr nach dem Zufallsprinzip laufen. Sie werden das chirurgische Instrument sein, mit dem wir die Gesellschaft im Ganzen sauber halten können. Die Evolution hat Jahrtausende nichts anderes getan, als die Unbrauchbaren auszumerzen wie Unkraut, aber in unserer Zivilisation darf das Unkraut zusammen mit den Blumen heranwachsen. Es ist Zeit, den Garten Eden neu anzulegen. Aber zuerst müssen wir die Spreu vom Weizen trennen. Jede Generation bringt beides hervor.«
»Ich verstehe.«
»Wirklich? Diese Unannehmlichkeit mit dem Baby - ja, ich habe davon gehört. Das hat Sie geärgert. Wenn Sie Ihren Platz in meiner strahlenden Zukunft einnehmen wollen, werden Sie sich an so etwas gewöhnen müssen. Spreu und Weizen, Le Sain. Spreu und Weizen.«
»Sie sind ein Mann mit Weitblick, Sir. Aber manchmal haben die ›Unbrauchbaren‹ verborgene Talente. Hat es da nicht einen brillanten Physiker namens Hawking gegeben, der nur seinen Mund benutzen konnte? Van Gogh war verrückt, und Einstein wurde von seinen Lehrern als zurückgeblieben eingestuft.«
»Für einen Waldbewohner aus den Bayous sind Sie erstaunlich belesen.«
»Ich bin in einer alten Bibliothek aufgewachsen, Sir. Eine Art Privatsammlung. Mit Bilderbüchern habe ich angefangen und mich von dort aus vorangearbeitet.«
»Dennoch haben Sie nicht zugehört, Colonel. Ich habe die Antworten, also hören Sie auf, sich den Kopf über die
Fragen zu zerbrechen. Wir werden Gerichte haben, Rechtsmittel. Wir kontrollieren den Zustrom. Die Kur interessiert es nicht, wie das Rohrleitungssystem funktioniert, solange das Wasser nur fließt. Am Ende werden wir die wahre Macht besitzen.«
Valentine verließ das Büro des Konsuls, benebelt und niedergedrückt von Kopfschmerzen, die ihn überrollten wie eine Dampfwalze. Er fühlte sich entkräftet und platt, hatte das Gefühl, die verblassende Sonne könne durch ihn hindurchscheinen wie durch einen blutverschmierten Objektträger. Konsul Solon war überzeugend, das musste Valentine ihm lassen. Möglicherweise litt er auch unter Größenwahn. Das war eine eindrucksvolle psychologische Mischung. Kein Wunder, dass er es bei seinem Streben nach einer Föderation kurischer »Staaten« so schnell so weit gebracht hatte.
Aber wie so viele ehrgeizige Eroberer hatte auch Solon ein Problem. Die Möchtegernerbauer großer Reiche
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