Vampire küsst man nicht: Argeneau Vampir 12
dessen Brust ragte, bislang nicht bemerkt hatte, allerdings war es auch schon dunkel, und er hatte in ihr eine Sterbliche vor sich, die nicht über die gleichen Nachtsichtfähigkeiten verfügte wie er. Wahrscheinlich würde sie außer sich sein, sobald sie das Messer sah, also stellte er sich ihr abermals in den Weg, als sie noch einmal versuchte, um ihn herum einen Blick auf Ernie zu werfen. »Sie sollten jetzt wieder ins Haus gehen, da sind Sie sicherer aufgehoben«, sagte er leise.
»Ja, aber was wird aus ihm?«, wollte sie wissen. Erneut war Nicholas gezwungen, ihr die Sicht zu versperren. »Ich kümmere mich schon um ihn.«
»Ah.... Na gut....« Unschlüssig schaute sie zum Haus, woraufhin Nicholas sie ganz in die Richtung drehte und sie – auch geistig – leicht anstieß, damit sie sich in Bewegung setzte. »Gehen Sie.« Was ihn betraf, sollte das genügen, um die Frau loszuschicken, weshalb er sie im nächsten Moment so gut wie vergessen hatte. Er wandte sich ab und kniete sich neben Ernie, um sich davon zu überzeugen, dass die Klinge auch tatsächlich das Herz des Abtrünnigen durchbohrt hatte. Er musste verhindern, dass der Kerl wieder aufstand und weiter für Ärger sorgte. Wenn das sichergestellt war, konnte er das Grundstück verlassen, zu seinem Wagen zurückkehren und Mortimer anrufen, um ihn wissen zu lassen, dass er ihm ein kleines Geschenk hinterlassen hatte.
»Wie heißen Sie?« Nicholas spannte unwillkürlich alle Muskeln an und blickte etwas verdutzt über die Schulter. Die Frau hätte längst das Haus erreicht haben müssen, schließlich hatte er ihr den entsprechenden geistigen Schubs gegeben. Stattdessen stand sie dicht hinter ihm und versuchte, einen Blick auf Ernie zu erhaschen. Er sah, wie sie die Stirn runzelte und dabei die Augen zusammenkniff, um besser sehen zu können. »Was ist das da auf seiner Brust?«, wollte sie wissen.
Leise fluchend stand Nicholas auf, nahm ihren Arm und führte sie in Richtung des Hauses. Diesmal beließ er es nicht bei einer allgemeinen Aufforderung, sondern drang in ihre Gedanken ein, um ihr eine klare Anweisung zu erteilen. Abrupt blieb er stehen, als er in ihrem Kopf gegen eine Mauer zu prallen schien.
»Was ist los?« Neugierig sah sie ihn an. »Ich kann Sie nicht lesen«, erwiderte er verständnislos. »Mich lesen?« Es war deutlich, dass sie keine Ahnung hatte, was er damit meinte.
Aber Nicholas schüttelte nur den Kopf und versuchte erneut, in ihre Gedanken vorzudringen. Wieder endeten seine Bemühungen an einer Art Wall.... was nur eines bedeuten konnte: Sie war seine Lebensgefährtin. Diese Erkenntnis war für ihn ein Schock. Manche Unsterbliche begegneten nur einmal während ihrer gesamten Existenz einer Lebensgefährtin. Andere wurden zwar fündig, verloren sie aber aus den verschiedensten Gründen wieder, um dann Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende später einer neuen Lebensgefährtin zu begegnen. Nicholas hatte seine erste Lebensgefährtin vor fünfzig Jahren kennengelernt und nur wenige Monate später verloren. Er war fest davon überzeugt gewesen, niemals eine andere zu finden. Er hatte einfach nicht geglaubt, dass die Ewigkeit lange genug währte, um so viel Glück zu haben.
»Oh Mann, jetzt nicht Sie auch noch!«
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen und sah die Frau fragend an. »Was meinen Sie?«
»Na, diesen Penis-Blick«, murmelte sie.
»Penis-Blick?«, wiederholte er verständnislos. Nicholas hatte schlichtweg keine Ahnung, was sie da redete. Ungeduldig trat sie von einem Bein auf das andere, erklärte ihm dann aber: »Sam gibt heute Abend eine Party, damit meine Schwester Alex und ich einige von Mortimers Freunden kennenlernen. Es sind alles Männer, und jedes Mal, wenn uns einer von ihnen vorgestellt wird, steht er vor uns und starrt auf unsere Stirn, als hätten wir da einen Penis.«
»Oh«, murmelte Nicholas, musste sich aber ein Lächeln verkneifen. Der Wunsch nach diesem Lächeln verstummte in dem Moment, als ihm bewusst wurde, dass er lächeln wollte. Seit Langem war in Nicholas’ Leben nichts mehr passiert, worüber er hätte lächeln können. Er räusperte sich und fragte: »Und was passiert danach?«
Sie zuckte mit den Schultern und wirkte sogar noch gereizter als ein paar Sekunden zuvor. »Dann geht er wortlos weg und redet mit den anderen. Im Moment stehen so ungefähr zehn oder zwölf ganz gut aussehende Kerle da im Haus und unterhalten sich, während Alex ganz allein ist und bestenfalls mit Sam und
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