VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
Jeans absteigend nach dem Grad ihrer Abgetragenheit. Hastig sortiere ich meine eigenen Blusen und T-Shirts, Röcke und Hosen um, um auch meinem Teil des Schrankes den Anschein von Ordnung zu verleihen.
Ehe ich den Schrank wieder verlasse, lasse ich die Hand an Shanes aufgereihten Hemden entlanggleiten. Manche sind aus Flanell, andere aus dünner Baumwolle. Sofort habe ich das Bild vor Augen, wie seine Schultern, seine Brust und seine Arme in diesen Hemden aussehen, wie sich seine Muskeln unter dem jeweiligen Stoff bewegen.
Dann ändert sich das Bild, und ich sehe, wie ich nach Hause komme und er sie nie mehr tragen wird. Mein Puls verändert sich, und ich wünschte, ich könnte unsere ganze Beziehung wie ein Tape zurückspulen. Zurück bis zu dem Moment, vor dem es mir egal war, ob Shane lebt oder tot ist.
Ich drücke das Gesicht in jedes der Hemden, eines nach dem anderen und atme tief ein. Ich suche nach einem Beweis, dass er lebt. Er schwitzt kaum, außer wenn wir Sex haben, und auch dann nur, wenn er gerade ausreichend getrunken hat. Endlich, beim fünften Hemd angelangt, finde ich das Gesuchte und genieße den schwachen, sauberen Geruch, den ich als Shanes ureigenen Duft erkenne.
Ich trete einen Schritt zurück. Da übermannt mich das heftige und völlig irrationale Bedürfnis, den Ärmel dieses Hemdes zu nehmen und diesen über einen meiner Blusenärmel zu legen. Die Ärmelbündchen treffen sich so gerade eben in der Mitte der Kleiderstange.
»Oh, das ist süß!«
Ich lasse die Ärmel fallen und drehe mich um. Da steht Shane. »Oh Gott!« Ich lege eine Hand an die Wange. Ich stelle fest, dass eine Hitzewelle über mein Gesicht rast. »Vergiss das ja sofort wieder!«
»Vorsicht mit dem Rotwerden!« Shane grinst und streicht mir über die Wange. »Du weißt doch, dass rot mich durstig macht.« Dann wandert sein Blick an mir vorbei zur Kleiderstange hinüber. »Du musst deine Sachen nicht meinetwegen sortieren, aber danke.« Er sucht wieder meinen Blick. »Was hältst du von meiner heutigen Auswahl für fünf Uhr vierundfünfzig?«
Einen Augenblick lang muss ich mein Gedächtnis nach dem Song durchforsten, den er mir jedes Mal am Ende seiner Sendung heimlich widmet. »Nirvanas Breed . Der perfekte Wir-ziehen-zusammen -Song.«
Ich folge Shane ins Wohnzimmer, wo wir einen unserer leeren Umzugskartons mit Elizabeths CDs vollstopfen. Das meiste, was sich in ihrem Repertoire befindet, sind Musicals und leichter Jazz. Dann macht sich Shane daran, meine CDs auszupacken. Zusammen mit meinen Sommerklamotten hatte ich sie aus dem gemieteten Lagerraum geholt, um das Geld für die Miete zu sparen. Shane sortiert die CDs in alphabetischer Reihenfolge ins leere CD-Regal. Seine Zufriedenheit bei diesem Akt der Inbesitznahme ist greifbar – er strahlt.
Seine eigenen CDs hat er im Sender gelassen. Denn schließlich braucht er sie bei der Arbeit. Stattdessen hat er einen Karton mit jeder Menge Mix-Tapes mitgebracht.
Ich sitze auf dem Boden und betrachte die Hartplastik-Hüllen der Kassetten, ohne sie anzufassen. Sie scheinen in chronologischer Reihenfolge sortiert zu sein. Diesen Schluss jedenfalls lässt der Grad der Abnutzung zu, den die Kassettenhüllen aufweisen. Sie sind beschriftet, aber in vielen unterschiedlichen Handschriften. Manche sind mit viel Liebe und Mühe farbig handkoloriert, wobei die Tinte der verwendeten Filzstifte schon zu verblassen beginnt.
Auf manche sind Herzchen gemalt.
»Hast du die Bänder zusammengestellt?«, frage ich, obwohl ich die Antwort schon kenne.
»Die meisten haben mir Freunde oder Freundinnen aufgenommen. Die Bänder, die ich für sie gemacht habe, dürften jetzt wohl in genau solchen Kartons verstaut sein – und irgendwo in ihren Wohnungen und Häusern herumstehen.« Shane zögert, hört mittendrin mit dem Sortieren meiner CDs auf. »Jedenfalls die, die nicht verbrannt wurden.« Er blickt mich an. »Du kannst die Kassetten ruhig durchsehen, wenn du willst.«
Eine der Kassetten, beschriftet in einer sehr unordentlichen Handschrift, ziehe ich heraus. »›Musik für den ersten legalen Rausch – 1. März 1989‹. Ist das ein Tape für deine Party zum einundzwanzigsten Geburtstag?«
Shane lächelt und kriecht zu mir herüber. »Mein bester Freund Steve hat mir die aufgenommen.« Als er liest, was alles auf dem Tape ist, windet er sich sichtlich. »Def Leppard. Poison. Warrant. Himmel, ein ganzer Keller voller musikalischer Leichen!«
Ich entschließe mich, nicht die Bänder
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