VAMPIRE SOULS - Böses Blut: Roman (German Edition)
auszuwählen, die von eindeutig weiblicher Hand beschriftet sind. Jedenfalls nicht, solange Shane mir dabei zusieht. Da erspähe ich ein halbes Dutzend Tapes, auf denen unverwechselbar Shanes Handschrift prangt. Ich ziehe eines davon heraus.
»Wer ist Meagan?«
»Aus dem letzten Jahr in der Highschool.« Er nimmt mir die Kassette aus der Hand und lächelt versonnen die Hülle an. »Sie hat sie mir zurückgegeben und verlangt, ich solle ein bisschen Janet Jackson draufspielen. Meagan hatte einen grässlichen Musikgeschmack. Dafür konnte sie wirklich geil …«, er wirft mir einen Blick zu, »ähm, tanzen. Sie war echt eine geile Tänzerin.« Er wendet den Blick ab und grabscht an mir vorbei nach einer anderen Kassette aus dem Karton. »Aber das hier, das ist ein echt geiles Tape. Anne Marie, Frischling im College.« Er schüttelt die Hülle, sodass die Kassette darin hin- und hergerüttelt wird. »Die Tussi war echt ein Griff ins Klo. Da hätte ich mal auf meine Mutter hören sollen. Aber Anne Marie hat mich an den Punk und den ganzen Indie-Rock herangeführt. Sie hat mich aus der Heavy-Metal-Poser-Einöde gerettet.«
»Sie hat dich cool-isiert.«
Er bekommt Lachfältchen um die Augen, so breit lächelt er. »In mancher Hinsicht, ja.« Er wirft die Kassette zurück in den Karton. »Macht es dir etwas aus, wenn ich die Kassetten behalte?«
Ich umschlinge die Knie mit beiden Armen. »Also, ich versuche ja eigentlich immer, möglichst viel von meiner Vergangenheit loszuwerden. Deshalb habe ich schon Schwierigkeiten, zu begreifen, warum man sie behalten möchte.«
»Die Kassetten und die Musik darauf haben nichts mit den Frauen zu tun, die sie mir aufgenommen haben oder für die ich sie zusammengestellt habe. Sie erzählen etwas von mir, von der Person, die ich einmal war. Sie sind wie eine musikalische Autobiographie.« Shane fährt mit dem Finger über die glatte Oberfläche einer der Kassetten neueren Datums. »Ich habe nicht eine Einzige mehr aufgenommen, seit ich gestorben bin.«
»Dann mach doch eine für mich!«
Shane zieht die Augenbraue in die Höhe. »Echt?«
Ich zeige auf Elizabeths Stereoanlage. »Ich habe ja jetzt ein Tape-Deck.«
»Und du möchtest wirklich nicht einfach eine MP3-Playlist?«
»Ich möchte ein Tape.« Ich stütze das Kinn auf die Knie. »Ich möchte das nächste Kapitel in deiner Autobiographie sein.« Ich schließe die Augen. »Und, ehrlich, in meinem Kopf hat sich der Satz um einiges weniger schnulzig angehört!«
»Okay.« Shane nimmt meine Hand und küsst sie. »Es wird dir gefallen.«
Ich bemühe mich, sein Lächeln zu erwidern. Er scheint so gelassen, ganz so, als fühle er sich bereits zu Hause, als wäre er angekommen. Wieso hat er keine Angst? Wenn ich ihm gestehe, dass ich mir wegen diesem Wir-ziehen-zusammen -Ding vor Angst fast in die Hosen mache, wird er dann glauben, dass ich ihn nicht genug liebe?
Dexter erhebt sich von der Couch und zwängt seinen Riesenschädel zwischen uns. Shane krault ihn daraufhin hinter dem Ohr. Vor Vergnügen stößt der Hund ein langes, tiefes Grunzen aus.
Trotz ihrer enormen Kraft und animalischen Wildheit, obwohl sie nahezu jedem lebenden Wesen jederzeit die Kehle herauszureißen vermögen, trotz ihrer immer währenden Jugend brauchen diese beiden Jungs mich wirklich.
Und das ist genau der Teil, der mir am meisten Angst macht.
Ich warte, bis ich vor meinem Wohnblock in der Parklücke stehe. Erst dann wähle ich Jeremys Nummer. Auf der ganzen Fahrt zurück vom Campus, wo ich meinen Mittwochskurs besucht habe, bis hierher in mein neues Zuhause war zu viel Verkehr, um dabei anständig telefonieren zu können. Das Leben draußen im Grünen ist nicht gerade ein Spaß für mich.
Wundersamerweise nimmt Jeremy das Gespräch an, allerdings mit einem tiefen Seufzer. »Was denn?«
»Jeremy, ich rufe dich schon die ganze Woche über an, aber du rufst nicht zurück. Was ist denn los?«
»Was los ist? Du hast dich bei einer wichtigen Recherche zu einer ebenso wichtigen Reportage eingemischt, das ist los!«
»Ach, wann das denn?«
»Am T-Fest.«
Ich stöhne auf, während ich aus dem Wagen steige und die Tür zuschlage. »Vertrau mir: Einen tieferen Einblick in das schaurig Schöne willst du gar nicht nehmen!«
»Schaurig schön? Du klingst wie einer dieser Mainstream-Knallköpfe! Nur weil wir ein bisschen anders sind als du anständiges Muster-Barbie-Püppchen …«
»He!« Das ist jetzt glatt das zweite Mal, dass mich jemand mit
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