Vampire trinken ex
fand, sie hatten recht . Vorsicht ist die bessere Hälfte von Tapferkeit; man
soll niemals seine Flanken ungedeckt lassen und selbstverständlich immer darauf
achten, was hinter der Front geschieht. Ich hielt den Moment für geeignet, mich
zu vergewissern, was sich hinter der Front tat.
Ich stieg die Treppe wieder
hinauf, durchschritt die Halle und stieg die nächste Treppe in den ersten Stock
hinauf. Die zweite Tür rechts war geschlossen, doch sie sprang auf, als ich den
Knauf drehte. Ich knipste das Licht an und sah, daß das Zimmer leer war. Es
wartete noch auf seinen Bewohner. Ich schloß die Tür wieder und wanderte durch
den Korridor. Durch die Ritze einer anderen Tür drang Licht. Ich öffnete die
Tür.
Der warme Schein der
Nachttischlampe verbreitete eine Atmosphäre vertraulicher Intimität. Sie
entsprach dem Augenblick. Chastity stand neben dem
Bett, mit dem Rücken zu mir, und schälte sich aus ihrem Hängekleid. Es war ein
atemberaubender Moment, der Traum jedes Voyeurs. Sie trug nichts unter dem
Kleid. Ich harrte eine ganze Weile stumm und reglos aus, dann räusperte ich
mich behutsam.
Chastity fuhr herum. Das Kleid fiel zu
Boden. Auf ihrem Gesicht breitete sich Bestürzung aus. Der nackte Körper war
makellos.
»Sie unverschämter Bursche«,
sagte sie mit erstickter Stimme. »Sie hätten doch wohl klopfen können !«
»Ihr Großvater ist gar nicht zu
Bett gegangen«, versetzte ich. »Sein Zimmer ist leer .«
»Was?« Ihre dunklen Augen
weiteten sich.
»Ich war erst im Keller«,
berichtete ich. »Der zweite Lichtschalter funktioniert nicht. Da beschloß ich,
heraufzukommen und ihn zu fragen, warum nicht .«
»Er sagte mir, er wollte zu
Bett gehen .«
»Sie sind sehr schön, Chastity «, sagte ich. »Aber ich bin schon früher schönen
Lügnerinnen begegnet .«
Ihr Gesicht errötete tief. Sie
bückte sich, hob das Kleid vom Boden auf und zog es eilig über den Kopf. Sie
machte einige rasche, typisch weibliche Bewegungen, und das Kleid glitt an ihr
herunter.
»Wenn er sagt, er geht zu Bett,
dann glaube ich ihm .« Der volle Mund wirkte noch
kindlicher als sonst. »Vielleicht hat es ihn plötzlich wieder überkommen, und
er ist mit dem Wagen weggefahren .«
»Oder vielleicht ist er unten
im Keller und hat absichtlich den Lichtschalter betriebsunfähig gemacht, damit
ich nicht so gut sehen kann«, meinte ich. »Finden Sie, daß ich nervös wirke ?«
»Nein«, erwiderte sie. »Abstoßend,
ja. Aber nicht nervös.«
»Ich bin aber nervös«,
versicherte ich. »Würden Sie mir einen Gefallen tun ?«
»Was denn?«
»Nehmen Sie mich bei der Hand
und kommen Sie mit mir in den Keller .«
Sie überlegte einige Sekunden,
dann seufzte sie tief.
»Wenn Sie mir versprechen, daß
Sie das, was Sie da unten zu tun haben, schnellstens erledigen und dann
heimfahren und mich endlich in Frieden lassen .«
»Ich verspreche es«, sagte ich.
»Wahrscheinlich wird es gar nicht lange dauern .«
»Was wollen Sie überhaupt da
unten ?«
»Mir hat jemand erzählt, daß
die hintere Mauer Attrappe ist. Das möchte ich nachprüfen .«
Sie riß die Augen auf.
»Das höre ich zum erstenmal .«
»Also, dann kommen Sie jetzt
mit mir hinunter, damit wir nachsehen können«, sagte ich geduldig.
Wir stiegen die Treppe hinunter
in die riesige Empfangshalle und dann die lange Treppe hinunter in den Keller. Chastity probierte verschiedentlich am zweiten
Lichtschalter herum, aber nichts geschah.
»Es muß ein Kurzschluß sein«, meinte sie.
»Das nenne ich Optimismus«,
versetzte ich.
Ich nahm sie bei der Hand, und
wir schritten an dem Vampir vorbei, dann an der Mumie und den anderen
gespenstischen Wesen. Schließlich erreichten wir das hintere Ende des Kellers,
wo der Projektor stand. Diesmal war kein Film eingespannt. Jenseits davon
standen die leeren Stühle, und dahinter hing die weiße Leinwand an der Mauer.
»Ich weiß zwar, daß bei dieser
schlechten Beleuchtung kaum die Hand vor den Augen zu sehen ist«, bemerkte Chastity skeptisch, »aber die Mauer da drüben scheint mir
ganz stabil zu sein .«
»Wissen Sie, was man tut, wenn
man einen Wandsafe verbergen will ?« fragte ich. »Man hängt ein Bild davor .«
» Welch eine tiefschürfende Feststellung«, gab sie verächtlich zurück. »Was wollen Sie
damit sagen ?«
»Vielleicht befindet sich in
der Mauer eine Öffnung, die in einen anderen Raum führt«, sagte ich. »Und
vielleicht läßt sich diese Öffnung am besten dadurch verbergen, daß man einen
großen
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