Vampire und andere Katastrophen: Argeneau Vampir 11
beiseite und konzentrierte sich stattdessen nur aufs Duschen. Erst als sie sich die Haare wusch, begann Dani, über ihre Situation nachzudenken. Sie war jetzt einer der verhassten Schlitzer. Davon musste sie jedenfalls ausgehen, auch wenn sie – von der Schwäche abgesehen, die ihr nach wie vor zu schaffen machte – keinen Unterschied wahrnahm. Sie verspürte nicht den Drang, Leute aufzuschlitzen, um deren Blut zu trinken, oder offene Wunden auszulecken.
Dani verzog den Mund bei der Erinnerung daran, was sie mit dem armen John Parker angestellt hatte. Allerdings war sie sich ziemlich sicher, dass sie nicht wieder über ihn herfallen würde, sollte er plötzlich vor ihr stehen. Allein die Vorstellung, Blut von seiner Stirn zu lecken, erschien ihr jetzt widerwärtig.... so wie vor dem Moment, als Leonius sie gezwungen hatte, sein Blut zu trinken.
Dani fragte sich, ob die Wirkung der Nanos vielleicht ausgeblieben war. Möglicherweise hatte die Menge nicht gereicht, um die Wandlung auszulösen, oder aber ihr Körper hatte die Fremdkörper abwehren können. Ehe sie diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, meldete sich ihre Vernunft. Es war unwahrscheinlich, dass die Nanos von ihrem Körper abgestoßen worden waren. Sicher hatte man ihr bloß genug Blut zu trinken gegeben, damit sie nicht weiter danach gierte. Aber selbst das gab ihr Hoffnung. Sie schien klar denken zu können und hatte nicht das Gefühl, dass irgendwo in ihrem Kopf der Wahnsinn lauerte. Vielleicht könnte sie ja weiterhin ein ganz normales Leben führen, solange sie nur immer genug Blut zu trinken bekäme.
Dani dachte weiter darüber nach, während sie den Schaum aus ihren Haaren spülte, und es gelang ihr fast, sich selbst davon zu überzeugen, dass es möglich war. Wenn sie von der Argeneau-Blutbank mit Blut beliefert würde und darauf achtete, stets genug davon zu sich zu nehmen, dann könnte sie weiterhin in ihrer Praxis arbeiten.... und vielleicht sogar ihre Beziehung zu Decker fortführen. Doch dieser Traum zerplatzte wie eine Seifenblase, als ihr gleich darauf Leonius’ Worte wieder einfielen, dass die Unsterblichen Schlitzer hassten, sie verfolgten und töteten – und dass Decker Leonius und sie umbringen wollen werde, wenn er von der Wandlung erführe.
Sie schloss die Augen und lehnte sich gegen die gekachelte Wand. Bei dem Gedanken, dass Decker sie hassen würde, verspürte sie tiefste Verzweiflung. Er hatte in der letzten Nacht Gelegenheit dazu gehabt, sie zu töten, es jedoch nicht getan, versuchte sie sich Mut zu machen. Doch prompt fiel ihr ein, dass sie von ihm gefesselt worden war, und sie sah vor sich, wie er ihr mit finsterer Miene einen Blutbeutel nach dem anderen eingeflößt hatte.
Als diese Erinnerungen auf sie einstürmten, fürchtete Dani, Decker könnte sie sehr wohl hassen. Dass sie bislang nicht getötet worden war, hatte womöglich gar nichts zu bedeuten. Vielleicht brauchten Decker und die anderen sie noch lebend. Womöglich glaubten sie, Dani könne ihnen noch Informationen über Leonius und dessen Sohn liefern – vorausgesetzt, dass sie Leonius nicht bereits gefasst hatten.
Ihr wurde klar, dass sie von hier weg musste, bevor jemand bemerkte, dass sie wach war, und versuchen würde, sie erneut zu fesseln. Sie stieß sich von der Wand ab, drehte den Hahn zu und drückte die Glastür auf. Auf einem Halter hingen noch die Handtücher, die sie nach dem Bad benutzt hatte. Sie nahm eines davon und trocknete sich rasch ab, wobei sie ignorierte, dass um ihr Handgelenk nun ein durchweichtes Stück Seil baumelte. Dann rubbelte sie sich die Haare trocken, so gut es ging, warf das Handtuch zur Seite und ging zur Tür. Noch immer war niemand sonst im Schlafzimmer, und sie eilte zu den Einkaufstaschen, die übereinandergestapelt an der Wand standen, griff nach der obersten und schüttete den Inhalt auf den Boden.
Mehrere Seidenslips und ein sommerlich blaues Halterneck-Kleid fielen heraus – mehr brauchte sie nicht, um aus dem Haus gehen zu können. Sie zog einen der Slips an, streifte sich das Kleid über, verknotete es eilig im Nacken und ging dann zur Tür. Aufmerksam lauschte sie einen Moment, doch alles blieb ruhig, also öffnete sie die Tür und trat hinaus in den Flur. Da niemand zu sehen war, schlich Dani, ohne lange zu zögern, auf Zehenspitzen zur Treppe. Dort angekommen, horchte sie abermals, doch von unten drang auch kein Geräusch zu ihr. Leise ging sie nach unten.
Erst als sie fast die Haustür erreicht hatte,
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