Vampire und andere Kleinigkeiten
»Ich habe von dieser Form der Bestrafung schon gehört. Deshalb ist er auch so runzlig.«
Waldo tat so, als hätte er Bills mir zugeflüsterte Worte nicht gehört. Doch Bubba konnte den Mund nicht halten. »Sie haben da wirklich 'ne ganze Menge Runzeln, Mann, aber keine Sorge. Die Ladys lieben Kerle, die irgendwie anders sind.«
Bubba war ein liebenswürdiger Vampir und meinte es immer gut. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es war, jahrelang in einem Tank voll Meerwasser auszuharren. Diese Vorstellung verscheuchte ich jedoch gleich wieder. Ich konnte mich nur wundern, was Waldo wohl verbrochen haben mochte, um eine solche Strafe zu verdienen. »Und Sie waren ein Favorit der Königin?«, fragte ich.
Waldo nickte mit einer gewissen Würde. »Diese Ehre wurde mir zuteil.«
Na, hoffentlich würde mir nie eine solche Ehre zuteil werden. »Und Hadley auch?«
Waldos Miene blieb gelassen, auch wenn ein Muskel in seiner Kieferpartie zuckte. »Eine Zeit lang.«
»Der Königin gefielen Hadleys Begeisterung und ihre kindliche Art«, erklärte Mr. Cataliades. »Hadley war jedoch nur eine Favoritin unter vielen. Irgendwann wäre die Gunst der Königin wieder auf jemand anderen gefallen, und Hadley hätte sich einen anderen Platz in ihrem Gefolge suchen müssen.«
Waldo wirkte äußerst zufrieden mit dem Gesag-ten und nickte. »So ist es immer.«
Ich verstand nicht, warum all das mich etwas angehen sollte. Bill machte eine fast unmerkliche Bewe-gung, hielt aber sofort wieder inne. Ich sah es nur aus dem Augenwinkel heraus, begriff aber, dass er mich davon abhalten wollte, etwas zu sagen. Herrje, so ein Blödmann; als wenn ich das getan hätte.
»Ihre Cousine war natürlich schon ein wenig anders als ihre Vorgänger«, fuhr Mr. Cataliades fort. »Würden Sie das nicht auch sagen, Waldo?«
»Nein«, erwiderte Waldo. »Mit der Zeit wäre es genauso gekommen wie sonst auch.« Er schien sich auf die Lippe zu beißen, um nicht noch mehr zu sagen. Nicht gerade geschickt für einen Vampir. Langsam quoll ein roter Tropfen Blut hervor. »Die Königin wäre auch ihrer überdrüssig geworden. Es war nur die Jugend dieser Frau, die Tatsache, dass sie einer der neuen Vampire war und die Schattenseiten unseres Daseins noch nicht kannte. Sagen Sie das unserer Königin, Cataliades, wenn Sie wieder in New Orleans sind. Wenn Sie sich nicht die ganze Fahrt über hinter die Trennscheibe zurückgezogen hätten, hätte ich schon auf dem Weg hierher mit Ihnen darüber reden können. Sie müssen mich nicht meiden, als wäre ich ein Aussätziger.«
Mr. Cataliades zuckte die Achseln. »Ich wollte allein sein«, sagte er. »Nun, wir werden nie erfahren, wie lange Hadley die unangefochtene Favoritin gewesen wäre, nicht wahr, Waldo?«
Wir bewegten uns hier auf etwas zu, und wir wurden von Waldos Begleiter Mr. Cataliades geradezu in diese Richtung gestoßen. Ich fragte mich, warum. Erst einmal aber folgte ich ihm. »Hadley war ausgesprochen hübsch«, sagte ich. »Vielleicht hätte die Königin ihr eine dauerhafte Position verschafft.«
»Hübsche Mädchen gibt's wie Sand am Meer«, entgegnete Waldo. »Wie dumm die Menschen doch sind. Sie wissen nicht, was unsere Königin ihnen antun kann.«
»Sofern sie es will«, murmelte Bill. »Wenn diese Hadley ein Händchen dafür hatte, die Königin bei Laune zu halten, und wenn sie Sookies Charme be-saß, dann wäre sie wohl viele Jahre lang eine glückliche Favoritin gewesen.«
»Und Sie wären vermutlich so richtig auf Ihrem Arsch gelandet, Waldo«, sagte ich prosaisch. »Erzählen Sie doch noch mal, waren da wirklich so viele Fanatiker auf dem Friedhof? Oder etwa nur ein einzelner dünner, weißer, runzliger Fanatiker, der vor lauter Eifersucht ganz verzweifelt war?«
Plötzlich waren alle aufgesprungen, alle bis auf Mr. Cataliades, der in seine Aktentasche griff.
Vor meinen Augen verwandelte sich der grässliche Waldo in etwas noch viel Unmenschlicheres. Seine Fangzähne schossen hervor und seine Augen glühten rot. Er wurde sogar noch dünner, sein Körper faltete sich quasi zusammen. Bill und Bubba neben mir verwandelten sich ebenfalls. Ich konnte es gar nicht mit ansehen, wenn sie derart wütend wurden. Es war schon schlimm genug zu sehen, wenn Feinde sich auf diese Weise verwandelten, aber bei Freunden war es fast unerträglich. Vampire in vollem Kampfmodus sind einfach furchterregend.
»Niemand darf einen Diener der Königin beschuldigen!«, rief Waldo, ja er fauchte geradezu.
Und nun
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