Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vampire und andere Kleinigkeiten

Vampire und andere Kleinigkeiten

Titel: Vampire und andere Kleinigkeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
den Blumen im Arm. Das letzte Foto war in Hadleys vorletztem Schuljahr aufgenommen worden. Zu der Zeit hatte sie schon begonnen, Drogen zu nehmen, und war völlig auf dem Gothic-Trip: schweres Make-up um die Augen, schwarzes Haar, blutrote Lippen. Onkel Carey hatte Tante Linda ein paar Jahre vor dieser Verwandlung verlassen und war zu seiner stolzen Familie in New Orleans zurückgekehrt. Und zu der Zeit, als auch Hadley verschwand, begann sich Tante Linda schlecht zu fühlen. Ein paar Monate, nachdem Hadley weggelaufen war, hatten wir die Schwester unseres Vaters endlich so weit, dass sie einen Arzt aufsuchte, welcher schließlich Krebs diagnostizierte.
    In all den Jahren, die seither vergangen waren, hatte ich mich immer gefragt, ob Hadley gewusst hatte, dass ihre Mutter krank war. Für mich machte das einen Unterschied. Wenn sie nie davon erfahren hatte, dann wäre es das eine. Aber wenn sie es gewusst hatte und trotzdem nicht nach Hause gekommen war, dann wäre das etwas völlig anderes. Doch jetzt, da ich wusste, dass sie hinübergewechselt und zu einer lebenden Toten geworden war, ergab sich für mich noch eine weitere Sichtweise. Vielleicht hatte Hadley es gewusst, und es war ihr als Vampirin einfach egal gewesen.
    Wer mochte Hadley erzählt haben, dass sie von Marie Laveau abstammte? Auf jeden Fall jemand, der genug Nachforschungen angestellt hatte, um überzeugend zu klingen, und jemand, der auch Hadley gut genug kannte, um zu wissen, wie sehr sie sich über das pikante Detail, mit einer so berühmt-berüchtigten Frau verwandt zu sein, freuen würde.
    Ich trug die Drinks auf einem Tablett hinaus, und wir setzten uns in meinen alten Gartenstühlen in einen Kreis. Es war wirklich eine bizarre Runde: der seltsame Mr. Cataliades, eine Telepathin und drei Vampire - auch wenn einer von ihnen so wirr im Kopf war, wie ein Vampir nur sein konnte, der trotzdem immer noch als Untoter durchging.
    Als auch ich saß, reichte Mr. Cataliades mir ein Bündel Papiere, und ich warf einen Blick darauf. Das Außenlicht war fürs Harken hell genug gewesen, reichte zum Lesen aber nicht wirklich aus. Da Bills Augen zwanzigmal schärfer waren als meine, gab ich ihm die Papiere.
    »Deine Cousine hat dir etwas Geld hinterlassen und ihr Apartment mit allem darin«, sagte Bill. »Außerdem bist du ihre Testamentsvollstreckerin.«
    Ich zuckte die Achseln. »Okay.« Ich wusste, dass Hadley nicht allzu viel besessen haben konnte. Vampire sind zwar ziemlich gut darin, einen Notgroschen anzulegen, doch Hadley war nur wenige Jahre lang eine Vampirin gewesen.
    Mr. Cataliades hob seine fast unsichtbaren Augenbrauen. »Sie scheinen nicht besonders interessiert daran.«
    »Mich interessiert eher, wie Hadley zu Tode gekommen ist.«
    Waldo wirkte beleidigt. »Ich habe Ihnen die Umstände doch beschrieben. Soll ich etwa Schlag um Schlag schildern, wie der Kampf verlaufen ist? Es war äußerst unerfreulich, das kann ich Ihnen versichern.«
    Ich sah ihn einige Augenblicke lang an. »Was ist eigentlich mit Ihnen passiert?«, fragte ich. Ja, ich weiß, es war ziemlich unhöflich, einfach so zu fragen, was um Himmels willen die Ursache seines grässlichen Aussehens war. Doch mein gesunder Menschenverstand sagte mir, dass mehr dahintersteckte. Ich hatte eine Verpflichtung meiner Cousine gegenüber, eine Verpflichtung ganz unabhängig von der mir zugedachten Erbschaft. Vielleicht war das ja auch der Grund, warum Hadley gerade mich in ihrem Testament bedacht hatte. Sie wusste, dass ich Fragen stellen würde und mein Bruder, Gott schütze ihn, sicher nicht.
    Wut zuckte über Waldos Miene, doch plötzlich war es, als wäre er mit einer Art Gefühlsradiergummi durch sein Gesicht gegangen. Seine papierweiße Haut entspannte sich, und seine runzligen Züge wirkten ebenso ruhig wie sein Blick. »Als ich noch ein Mensch war, war ich ein Albino«, sagte Waldo steif, und mich durchfuhr das reflexartige Entsetzen, das jeden ergreift, der unverzeihlich neugierige Fragen nach der Behinderung eines anderen gestellt hat. Ich wollte mich gerade entschuldigen, da schaltete Mr. Cataliades sich wieder ein.
    »Und er wurde natürlich auch von der Königin bestraft«, sagte der dicke Mann sanft.
    Diesmal beherrschte Waldo seinen wütend funkelnden Blick nicht. »Ja«, sagte er schließlich. »Die Königin hat mich einige Jahre lang in einen Tank gesperrt.«
    »In was für einen Tank?« Ich verstand wirklich nur Bahnhof.
    »In einen Tank voll Salzwasser«, sagte Bill sehr leise.

Weitere Kostenlose Bücher