Vampire's Kiss
recht hatte. Unwillkürlich fuhr ich mit der Zunge über den Riss in meiner Lippe und merkte, dass ich bei dem metallischen Geschmack tatsächlich so etwas wie Durst empfand.
Erst als ich merkte, dass Yasuo sich versteifte, legte ich eine Hand auf den Mund. Hey, bloß nicht wieder diesen Zirkus! »Tut mir leid, Alter.«
Aber diesmal lachte er nur und nickte seinen Kumpels zu, die sich an einem der langen Tische versammelt hatten. Die Jungs sahen aus wie eine Horde Superstars aus dem Disney Channel – zu alt, um als Teenies durchzugehen, und zu jung, um schon mit Männern mitzuhalten.
Ich entdeckte Yasuos Freund Josh und mied bewusst den Blickkontakt zu ihm. Josh hatte letztes Semester versucht, mit mir zu flirten, und da es nicht viele Jungs gab, die mit mir flirteten, hatte ich ihm sofort misstraut. Später war er dann oft mit meiner Erzfeindin zusammen gewesen. Ich hatte seit Lilous Verschwinden nicht mehr mit ihm geredet und wollte dieses Gespräch auch noch hinausschieben, solange es ging.
»Spiel du mit den Jungs«, sagte ich zu Yas. Ich hatte inzwischen meine Betreuerin Amanda erspäht, die mir sicher Auskunft geben konnte, was genau ich tun musste, um die Verletzung zu »versorgen«.
»Wird gemacht.« Er verabschiedete sich mit einem breiten Grinsen. »Bis später, Blondie.«
Ich fing Amandas Blick auf, und sie deutete auf den leeren Stuhl neben sich. Ich nickte, deutete jedoch auf das Salatbüffet und formte die Lippen zu einem »Essen fassen«. Frischkost war auf der Insel selten, und wenn man nicht gerade ein Rüben-Fan war, musste man sich etwas von dem begehrten Grünzeug auf seinen Teller schaufeln, bevor nichts mehr übrig war.
Ich drängte mich zu ihrem Tisch durch, das Tablett beladen mit einer großen Portion Salat, der verdächtig nach Unkraut aussah, einer Schüssel Karottensuppe, einem knusprigen Brotranken und dem unerlässlichen Glas Blut. Es war eisgekühlt und hatte die Konsistenz von Hustensirup, aber es war nun mal Blut , und deshalb wunderte ich mich immer wieder, wie leicht es flutschte – mehr noch, wie sehr mein Körper inzwischen danach verlangte.
»Acari Drew.« Amanda blinzelte mir kurz zu, und meine Anspannung löste sich ein wenig. Meine Betreuerin war eine Schwarze von klassischer Schönheit, mit einem offenen, herzförmigen Gesicht und schulterlangen Dreadlocks. Und obwohl sie lässig am Tisch saß und lächelte, war sie respektgebietend. Ich hatte bisher nicht den Mut aufgebracht, sie nach ihrer Vergangenheit zu befragen, aber sie kam mir weit klüger und reifer vor, als es ihre zwanzig Jahre vermuten ließen.
Jedenfalls bewunderte ich sie grenzenlos.
»Mahlzeit, Schätzchen«, begrüßte sie mich mit ihrem starken Cockney-Einschlag. Sie warf einen Blick auf mein Tablett und runzelte die Stirn. »Sei vorsichtig mit dem Salat, aye? Der ist am Umkippen.«
»Danke.« Ich ließ mich auf den Stuhl neben sie fallen, froh darüber, dass noch niemand sonst am Tisch saß. Das war wohl auch der Grund, weshalb sie mich so gleichberechtigt behandelte – in Gegenwart der anderen Eingeweihten hätte sie das wohl nicht gewagt. Aber seit Ronan sie gebeten hatte, ein wenig auf mich aufzupassen, war sie immer besonders nett zu mir.
Wie zur Bestätigung meiner Theorie versteifte sich Amanda, als eine andere Eingeweihte auf unseren Tisch zukam. Sie setzte eine strenge Miene auf, und die beiden nickten sich kühl zu.
Das Mädchen ging weiter, und obwohl Amandas Anspannung sichtlich nachließ, sprach sie jetzt so leise, dass nur ich sie verstehen konnte. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gern ich mal von hier abhauen und versacken würde!«
Ich sah sie verwirrt an, und sie verdrehte die Augen. »Bist du so begriffsstutzig, Drew, oder tust du nur so?« Sie zog ihr Tablett näher heran und pulte ein bräunliches Blatt aus ihrem Salat. »Im Klartext – ich sehne mich nach einem Pub, wo ich mir ein Pint Dunkles und eine große Tüte Kartoffelchips reinziehen könnte!«
»Ach soo!« Ich nickte. »Mein Traum wäre ein richtig knackiger Salat, nicht dieses Scheißzeug hier, vielleicht mit Fetawürfeln und schwarzen Oliven. Und danach einen Vanille-Shake von Mickey D.« Jetzt warf sie mir einen verständnislosen Blick zu. »McDonald’s«, klärte ich sie auf.
Sie schnitt eine Grimasse. »Salat und ein Milchshake? Verfehlt das nicht völlig den Zweck?«
Ich strich ein wenig Butter auf mein Brot. »Mädchen brauchen bekanntermaßen viel Calcium.«
»Dieser Schnell-Fraß ist doch
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