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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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Schulter!«
    Stirnrunzelnd betrachtete er meine Hand, die leicht auf seinem Oberarm ruhte. »Das ist ganz falsch. Ihre Finger liegen da wie kleine Würste. Sie müssen die Hände bis in die Spitzen ausstrecken.« Ich machte meine Finger so lang wie nur möglich und hörte mir weiter sein Geschwalle an. »Sie sind klein. Und ein wenig gedrungen. Sie müssen versuchen, Ihren Körper sehr gerade zu halten.«
    Blödmann . Ich war vielleicht zierlich, aber bestimmt keine Kommode. Allerherzlichsten Dank.
    Der Walzer war zu Ende, und ein neues Stück begann. Welche Schmalzmelodie hatte er diesmal ausgesucht? Nach den ersten Tönen wusste ich Bescheid. Edelweiß. So wahr mir Gott helfe!
    Ich biss mir auf die Zunge, um nicht loszuprusten. Und kämpfte immer stärker gegen das Lachen an, weil ich wusste, dass ich unbedingt ernst bleiben musste. Mir schwante, dass ich von der Anstrengung puterrot im Gesicht war.
    Um meine Qualen noch zu steigern, begann Dagursson leise mitzusingen, aber nicht den eigentlichen Text, sondern: »Eieinnns, zwoo, dreiei … eieinns, zwoo, dreiei … rück, Seit, schließen … vor, Seit, schließen …«
    Ich versuchte mich zu konzentrieren, aber ich konnte nur daran denken, wie kalt sich seine Hände anfühlten und wie seltsam er roch, ein wenig wie trockenes, altes Papier.
    Er spürte, dass ich nicht bei der Sache war. »Schalten Sie Ihre Gedanken ab, Acari Drew«, sagte er tadelnd. »Der Wiener Walzer ist der klassischste, der eleganteste aller Tänze, aber Sie müssen ihn mit dem Gefühl erfassen, nicht mit dem Verstand.«
    Doch anstatt diesen Rat zu befolgen, beschäftigte ich mich weiterhin mit meinem Tanzpartner. Trotz seiner hohlwangigen Züge und der klapprigen Erscheinung bewegte er sich elegant und geschmeidig. Ich war hin und weg von dem Gedanken, dass er bereits Jahrhunderte gelebt hatte, als man in den Ballsälen erstmals Walzer tanzte – dass er bereits gelebt hatte, als die Damen der feinen Gesellschaft erstmals hohe Perücken trugen und sich schwarze Schönheitspflästerchen auf die weiß gepuderte Haut klebten.
    Mein Verstand stieg aus, und ich schaltete auf Autopilot.
    Aber Dagursson war jetzt in seinem Element. »Und nun versuchen wir es mit einer Drehung«, sagte er und wirbelte mich herum.
    Darauf war ich nicht vorbereitet.
    Ich geriet ins Stolpern. Und verlor nicht nur das Gleichgewicht, sondern auch die Beherrschung. Mein knapper, prägnanter Fluch war nicht zu überhören. »O Shit!«
    Dagursson erstarrte zu Eis. Er hielt mich weit von sich und stützte mich mit einer Hand im Rücken, während ich unsicher auf einem Fuß hin und her kippelte. Aber die andere Hand schoss vor, und ein langer, rasiermesserscharfer Fingernagel ritzte meinen Mund.
    Ich unterdrückte ein Keuchen und leckte Blut von der Unterlippe.
    »Eine kleine Erinnerung, Acari Drew, sich wie eine Dame zu benehmen.«
    Er schob mich heftig von sich, und ich fing mich zum Glück nach ein paar Stolperschritten, ohne zu stürzen. »Arbeiten Sie an Ihrem Wechselschritt, sonst bringen Sie es im Tanz nie zu Vollkommenheit.« Dagursson starrte einen Moment lang meine blutende Lippe an. »Versorgen Sie diesen Riss, damit keine Narbe zurückbleibt!«
    Und mit einem letzten Klatschen seiner gruseligen Ghul-Hände entließ er den Kurs.
    Yasuo und ich stürmten zum Ausgang. Ich war noch vor ihm draußen und atmete in tiefen Zügen die kalte, frische Luft ein. Jetzt erst merkte ich, dass mein Herz wie verrückt hämmerte.
    Yas holte mich ein und warf mir einen unsicheren Blick zu. »Das war aber …«
    »Genau.« Ich fröstelte. »Gruselig.«
    Wir schlenderten über das Karree des Innenhofs, aber während mir daran gelegen war, die Episode so rasch wie möglich zu vergessen, schien sie Yasuo immer noch Unbehagen zu bereiten.
    Ich stieß ihm unsanft den Ellenbogen in die Rippen. »Hey, hast du etwa geglaubt, der würde mir den Bauch anstatt der Lippe aufschlitzen?« Dass die Vampire dazu fähig waren, hatten wir alle erlebt – ich sogar an meinem allerersten Tag auf der Insel.
    Er deutete mit dem Kinn auf meinen Mund. »Das ist für mich nicht ganz … einfach.«
    »Was heißt da nicht ganz einfach , Mann? Mich hat Dags kleiner Finger gestreift, nicht dich.«
    »Es ist so, D.« Yas wand sich vor Verlegenheit. »Das Blut …«
    »Ist es so schlimm?« Ich leckte die Unterlippe ab, um zu sehen, ob sie noch blutete.
    Yasuo wandte den Blick ab. »Lass das, bitte !«
    »Wo liegt das Problem?« Ich starrte sein Profil

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