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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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Sportkluft?
    »Amanda«, begrüßte er meine Betreuerin. »Annelise.«
    Die Zunge klebte mir am Gaumen. Er war der einzige Mensch auf dieser Insel, der es wagte, mich mit meinem Vornamen anzusprechen, und der Klang brachte mich noch jedes Mal aus dem Konzept.
    Er wandte den Blick nicht von mir ab, aber seine Augen wirkten so ausdruckslos, dass ich nichts darin lesen konnte. Dann entdeckte er meine aufgerissene Unterlippe. »Was –«
    Ich unterbrach ihn mit einem hastigen »Hallo«. Was ich jetzt am allerwenigsten gebrauchen konnte, waren Fragen nach dem Wie, Wer und Warum. Deshalb wich ich den forschenden grünen Augen aus und verdrängte den Eindruck, dass eine Spur von Trauer über seine Züge gehuscht war. Von Trauer wollte ich im Moment auch nichts wissen.
    Er nickte, als könnte er meinen Gedanken folgen, und verdammt noch mal, wahrscheinlich konnte er das auch.
    Amanda schob ihr Tablett weg, damit er an der Stirnseite des Tisches Platz nehmen konnte. »Wo warst du denn die ganze Zeit?« Sie musterte die kleine Schlange, die noch an der Essensausgabe wartete. »Vielleicht solltest du dich zuerst am Buffet anstellen. Viel ist nicht mehr da.«
    Aber Ronan hatte offensichtlich wenig Hunger. Er setzte sich und legte die Fingerspitzen aneinander, als überlegte er etwas. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er mich an. Dann zog er einen zusammengefalteten Zettel aus der Tasche und schob ihn zu Amanda.
    Sie wurde blass, soweit man das von Gesichtszügen sagen konnte, die den Schimmer eines dunklen, glatt polierten Steins hatten. Dann ließ sie ihren Blick rasch durch den Speisesaal schweifen, als wollte sie sich vergewissern, dass niemand in unsere Richtung schaute. »Danke, du bist ein Schatz«, sagte sie mit merkwürdig gepresster Stimme.
    Ich schaute von Amanda zu Ronan und wieder zu Amanda, und mein Magen verkrampfte sich.
    Oho. Nur oho .
    Wie es schien, hatten Amanda und Ronan eine kleine heimliche Affäre laufen.

Nach dem schlappen Salat und meiner Entdeckung über Ronan und Amanda war mir der Appetit gründlich vergangen, als Emma an unseren Tisch kam.
    »Hey.« Sie stellte in ihrer ruhigen, gründlichen Art die Tasche ab, zog sich einen Stuhl heran, entfaltete die Serviette auf den Knien, rückte Teller und Besteck so zurecht, wie es ihr am bequemsten erschien, und begann schweigend ihre Fleischpastete zu essen.
    Zum ersten Mal hätte ich mir gewünscht, dass Emma nicht einfach stumm dasaß, sondern wie die meisten anderen ein nettes, harmloses Gespräch anfing.
    Ich starrte meine Hände an. Man konnte die Anspannung zwischen Amanda und Ronan mit dem Buttermesser schneiden. »Selber hey!«
    Und dann sprach niemand mehr. Vier Leute am Tisch und …  Schweigen.
    Emma bekam von alledem nichts mit. Sie kaute, und ich konnte jeden Schluck hören, den sie trank, jeden Biss in das frische, knusprige Brot. Sie schluckte und warf einen Blick auf meine kalte Suppe und den Teller mit dem traurigen Grünzeug. »Keinen Hunger?«
    »Du musst mehr essen als nur Brot und Blut«, sagte Amanda scharf. Sie rutschte auf ihrem Platz hin und her, als würde die kleine Notiz ein Loch in ihre Tasche brennen.
    Ich sah verstohlen zu Ronan hinüber. Er saß steif und wortlos da. Wo waren wir denn? In der Grundschule oder was?
    »Nein.« Ich rührte die Suppe kurz mit dem Löffel um. Obenauf schwamm bereits eine glänzende Fettschicht. Ich ließ den Löffel los, und die orangerote Flüssigkeit spritzte an die Ränder der weißen Schüssel. »Aber sonst ist alles okay.«
    Ich rief mir in Erinnerung, dass ich nie im Leben beabsichtigt hatte, hier auf der Insel etwas mit einem Sucher anzufangen. Und schon gar nicht mit Ronan und seiner verdammten Magie.
    Genau genommen bezweifelte ich, dass ich mit irgendeinem Mann auf dieser Insel etwas anfangen würde. Mein Los war es vermutlich, als Jungfrau zu sterben.
    Zurück das Ganze, und noch einmal von vorn: Mein Los war es vermutlich, als ungeküsste Jungfrau zu sterben. Wie trantütig klang das? Mit meinen riesigen Augen hatte ich durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Frosch, aber die Chancen, dass mich ein mitleidiger Prinz küsste und in eine wunderschöne Prinzessin verwandelte, standen nicht besonders gut.
    Eher schlecht.
    Meine Laune machte einen Sturzflug. Und sie besserte sich keineswegs dadurch, dass einige Guidons – die ranghöchste Stufe unter den Eingeweihten – mit ihrem Gefolge in der Nähe unseres Tisches herumlungerten. Alle langbeinig, alle mit engen Overalls

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