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Vampire's Kiss

Vampire's Kiss

Titel: Vampire's Kiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wolff
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abgespielt. Den Sprung zu einer Zweizimmerwohnung hatte ich damals als Luxus pur betrachtet.
    Er hielt den Kopf schräg, als er merkte, in welche Richtung meine Gedanken drifteten. »Kleine Acari, ich gehe davon aus, dass der Begriff Wohlstand in deinem Sprachgebrauch eher selten vorkommt.«
    O nein. Musste er wieder persönlich werden? »Allerdings«, entgegnete ich zögernd. »Wir sind nicht gerade im Geld geschwommen.«
    »Es ist schon seltsam, welch großen Wert die Menschen auf Reichtum legen. Dabei gibt es weit wichtigere Dinge. Beispielsweise das Glück, bis in alle Ewigkeit zu leben …«
    Als er diesmal lächelte, entblößte er zwei dolchscharfe Zähne, die mich daran erinnerten, dass er zwar untot war, ich dagegen bei der geringsten Provokation sehr, sehr tot sein würde.
    Der Gedanke ließ mich verstummen.
    »Aber wir sprachen über mein Buch.« Sein Tonfall war heiter, als habe er nicht soeben ein Paar gruseliger Fänge entblößt. »Das Beste habe ich dir noch gar nicht erzählt.« Er nahm das Buch auf und hielt es schräg ins Licht. »Sieh dir die Schrift an. Errätst du, was das ist?«
    Erraten? Ich konnte das Zeug kaum lesen. Archimedes war ein Erfinder gewesen … Wahrscheinlich las Alcántara da die Bauanleitung für ein antikes Folterinstrument: Langsam die Schrauben festziehen, sobald sich die Daumen der Acari in der richtigen Position befinden. »N-nein.«
    »Weißt du, was ein Palimpsest ist?«
    Was zum Henker sollte diese Frage? »Ich … ja … Das ist ein Pergament, von dem der ursprüngliche Text abgeschabt wurde, damit man es erneut verwenden konnte. Man überschrieb die alten Sachen ganz einfach.«
    Er neigte elegant den Kopf. »Kluges Mädchen. Natürlich wusstest du das.« Er blätterte weiter, und ich rümpfte die Nase, als aus den Seiten ein starker Modergeruch aufstieg. »Das war früher allgemein üblich, da das aus Tierhäuten oder auch Pflanzenfasern hergestellte Pergament zu kostbar war, um vergeudet zu werden.«
    Ich nickte höflich, obwohl er mir absolut nichts Neues erzählte, und fragte mich, was er mit seinem kleinen Vortrag bezweckte. Denn dass er noch einen Trumpf im Ärmel hatte, sah ich an seiner selbstzufriedenen Miene und dem Leuchten in seinen Augen.
    »Acari Drew, du bist wie dieses Palimpsest. Befreit von allem, was du einmal warst. Verändert, ja?«
    Du sagst es . Aber war das schlimm? Da ich immer noch nicht wusste, worauf er abzielte, nickte ich nur vorsichtig.
    »Wir erfinden dich neu. Überschreiben sozusagen dein früheres Ich.« Und dann strich er sacht über meine Schulter und den Arm entlang. Es war der Hauch einer Berührung, aber ich empfand ihn wie einen Kanonenschuss.
    Ich biss die Zähne zusammen, presste die Knie aneinander und bohrte die Ellenbogen in die Seiten – um nur ja zu verhindern, dass mein Verstand die Herrschaft über den Körper verlor. Denn wenn mich nicht alles täuschte, versuchte Alcántara in diesem Moment, mich unter seine Kontrolle zu bringen.
    »Dennoch werden Spuren deiner früheren Persönlichkeit zu erkennen sein. Das ist bei allen guten Wächterinnen der Fall.«
    Ich fühlte mich verwirrt, weil ich nicht wusste, ob seine Worte nun als Kompliment oder als Tadel gemeint waren. Aber dann wanderte sein Blick über meinen Körper, bis ich mir total nackt vorkam und mich fragte, ob er mit seinen Ausführungen nicht etwas völlig anderes meinte.
    »Dein Körper ist der gleiche geblieben – du bist kräftiger, ja, aber nicht größer als zuvor.« Eine seiner Hände legte sich schwer auf meine Schulter, die andere auf meinen Kopf.
    Ich spürte den absurden – und erschreckenden – Drang, meinen Tränen freien Lauf zu lassen.
    »Du bist wie diese alten Pergament-Handschriften immer noch als Original erkennbar. Zwar trägst du dein Haar jetzt kürzer – eine bedauerliche Folge dieses Wettbewerbs.« Er klang enttäuscht, als er mir sanft den Kopf tätschelte. Ich fühlte mich von dieser Geste nicht getröstet, sondern eher wie ein Schoßtier, dessen Stammbaum er überprüfte. »Aber glücklicherweise hat es seinen Glanz und das helle Blond behalten.«
    Sein Zeigefinger glitt eine Strähne entlang, erreichte das weiche Fleisch über meiner linken Brust und tippte leicht darauf. Ich hielt den Atem an. Meine Welt bestand nur noch aus seiner Berührung und den Alarmglocken, die in meinem Kopf schrillten.
    »Dein Herz ist in seinem Wesen unverändert … Ich höre es sprechen, wenn du mit deinesgleichen unterwegs bist. Und doch

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