Vampire's Kiss
danke, das schaffe ich schon.«
»Dann wäre dieser Punkt erledigt.« Zu meiner großen Erleichterung rückte Alcántara ein Stück von mir ab und nahm die elegante und zugleich lässige Haltung ein, die Vampire in Vollendung zu beherrschen schienen. »Was noch aussteht, ist deine Strafe.«
»Meine … oh.« Das hier war noch nicht meine Strafe gewesen? Ich spürte, wie das Blut aus meinen Wangen wich.
Er lachte. »Wie blass du plötzlich bist! Du denkst, dass dich jetzt eine Strafaufgabe erwartet? Oder eine Züchtigung?« Er durchbohrte mich mit Laserblicken. Hatte er etwas anderes als blanke Furcht erwartet?
Strafaufgaben und Prügel. Das passte. »Nun ja. Vermutlich soll mir wieder mal die Weisheit eingehämmert werden.« Ich setzte eine gelangweilte Miene auf, hatte aber nicht den Eindruck, dass er sich davon täuschen ließ.
Er lehnte sich entspannt zurück und lächelte. »Ich fürchte, unser guter Rektor erwartet etwas in dieser Art. Claude ist in mancher Hinsicht sehr altmodisch, obwohl er sich bemüht, fortschrittlich zu denken. So hält er meine Gewohnheiten für rückständig und mittelalterlich.«
»Aber Sie sind doch mittelalterlich.« Ich biss mir auf die Lippe, worauf der Riss sofort wieder zu brennen begann. Meine Worte waren unbedacht, und ich hoffte nur, dass er sich nicht gekränkt fühlte.
Aber Alcántara lachte entzückt. »In der Tat«, sagte er und nickte vor sich hin. »Ich bin das fleischgewordene Mittelalter.« Doch gleich darauf wurde er wieder ernst. »Nenne es, wie du magst, aber meine Philosophie lautet, dass hohe Kampfmoral eine Belohnung verdient. Brava Acari! Um ein Haar hättest du Guidon Masha besiegt. Ich versichere dir, dass sie diejenige sein wird, die eine strenge Strafe zu erwarten hat.«
Ich war perplex. Und dann erleichtert.
»Dann … habe ich richtig gehandelt? Und Masha … ich meine, Guidon Masha bekommt Probleme?«
»So könnte man es ausdrücken.«
»Gilt diese Sichtweise auch für Emma?« Ich hatte so sehr befürchtet, meine Freundin zu verlieren, dass ich bei der guten Nachricht sofort an sie dachte. Aber ich bereute die Frage, noch ehe ich sie richtig ausgesprochen hatte.
Seine Züge verhärteten sich. »Meine Geduld ist nicht endlos. Ich habe dir schon einmal erklärt, dass es keine Freundschaften auf dieser Insel gibt. Du bist deine einzige Freundin. Und Acari Emma muss lernen, ihre Kämpfe selbst auszutragen.«
Die Zurechtweisung ließ mich verstummen. Ich wollte keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf andere Acari lenken – und schon gar nicht auf Emma. Eine noch schärfere Beobachtung war das Letzte, was sie gebrauchen konnte.
Ich senkte das Kinn und entdeckte, dass es mir gar nicht so schwerfiel, unterwürfig zu sprechen, wenn ich zu Tode verängstigt war. »Jawohl, Master Alcántara.«
Meine Antwort schien ihn zu besänftigen, denn er schlug locker ein Bein über das andere. »Allerdings habe ich etwas für dich, das einer Strafe sehr nahekommt. Zumindest könntest du es so empfinden.«
Ich versteifte mich. Also doch. Es wäre auch zu schön gewesen.
»Du erhältst Nachhilfe. In Deutsch.«
Aber ich beherrschte die deutsche Sprache fließend. Ich hatte den Faust und Kafkas Gesamtwerk in Deutsch gelesen. »Sie meinen, ich soll Nachhilfe in Deutsch geben .« Das war eine Feststellung, keine Frage.
»Nein«, entgegnete er betont geduldig und auf Deutsch. »Wir haben eine wichtige Aufgabe vor uns, und da, wo wir uns hinbegeben, nützt dir dein gegenwärtiges Wissen wenig.«
Das brachte mich erneut zum Schweigen. Er bezog sich auf unsere Mission, für die wir die Insel verlassen mussten. Ich brannte darauf, mehr darüber zu erfahren.
»Du musst dich mit der modernen Wirtschaftssprache ebenso vertraut machen wie mit den Regeln der gepflegten Konversation. Wann man Du verwendet und wann Sie . Wie man sich verabschiedet. Wie man bei Streitgesprächen vermittelt. Das sind die Dinge, die dich vor den Gefahren unserer Mission schützen werden.«
»Ich verstehe.« Und ich glaubte tatsächlich, dass ich verstand. Ich meine, er hatte Gefahren erwähnt, und das fand ich aufregend.
Aber bei genauerem Nachdenken packte mich das blanke Entsetzen und drehte mir den Magen um. Denn ich kannte auf dieser Insel nur einen Menschen, der perfekt Deutsch sprach: Sucher Otto. »Wer wird mich unterrichten?«, fragte ich und formulierte insgeheim bereits eine höfliche Ablehnung.
Nur dass er Sucher Otto mit keiner Silbe erwähnte. Es kam weit
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