Vampirgeflüster
Bierkrug und brachte ihnen einen neuen, ohne ein einziges Mal das Lächeln einzustellen. Dann stieß Catfish, der Boss meines Bruders, mit dem Ellenbogen eine Cola-Rum um, und ich musste D'Eriq sagen gehen, dass er einen Wischlappen für den Tisch und einen Putzlappen für den Boden mitbringen sollte.
Danach gerieten zwei Dummköpfe, die mit mir in eine Schulklasse gegangen waren, in einen so heftigen Streit über die Frage, wer den besseren Jagdhund habe, dass Sam schließlich einschreiten musste. Und schneller als sonst kamen sie wieder zur Vernunft, jetzt, da sie wussten, was Sam war - ein unerwarteter Vorteil.
Viele der Gespräche an diesem Abend im Merlotte's drehten sich natürlich um Crystals Tod. Dass sie eine Werpantherin gewesen war, hatte sich in der Stadt herumgesprochen. Etwa die Hälfte der Gäste war überzeugt, dass sie von jemandem ermordet wurde, der die eben erst bekannt gewordenen Supras hasste. Die andere Hälfte war nicht so sicher, dass Crystal wegen ihrer Werpanther-Natur getötet wurde. Für diese Gäste war ihre sexuelle Freizügigkeit schon Grund genug. Und die meisten von ihnen hielten Jason für den Täter. Manche hatten sogar Verständnis für ihn. Andere hatten Crystal oder ihren Ruf gekannt und meinten, Jason habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Fast alle diese Leute dachten an Crystal nur noch im Zusammenhang mit der Frage, ob Jason schuldig war oder nicht. Wirklich traurig, dachte ich, dass die meisten sie nur wegen der Art ihres Todes in Erinnerung behalten würden.
Ich hätte Jason besuchen oder anrufen sollen, doch ich hatte kein Bedürfnis danach gespürt. Jasons Verhalten in den letzten Monaten hatte etwas in mir abgetötet. Jason war zwar mein Bruder, ich liebte ihn und er wurde anscheinend endlich erwachsen, aber ich fand, dass ich ihm nicht mehr in allen Herausforderungen seines Lebens beistehen musste. Was mich zu einer schlechten Christin machte, tja, stimmt. Ich war sicher keine tiefgründige theologische Denkerin, doch ich hatte mich schon so manches Mal gefragt, ob die Krisen in meinem Leben nicht immer wieder auf die eine Alternative hinausliefen: Sei eine schlechte Christin oder stirb.
Und ich hatte mich jedes Mal fürs Leben entschieden.
Aber sah ich das richtig? Gab es noch andere Sichtweisen, die mich erleuchten könnten? Doch an wen sollte ich mich wenden? Ich sah das Gesicht des Methodistenpredigers schon vor mir, wenn ich ihn fragte: »Wäre es besser, einen Gegner gewähren zu lassen und von ihm getötet zu werden statt ihn selbst zu erstechen und sich zu retten? Wäre es besser, ein vor Gott abgegebenes Gelöbnis zu brechen statt einem guten Bekannten den Finger zu zertrümmern?« Das waren Konflikte, denen ich mich bereits stellen musste. Vielleicht hatte ich vor Gott große Schuld auf mich geladen. Aber vielleicht schützte ich mich auch nur genau so, wie Gott es wollte. Ich wusste es einfach nicht, und mein Denken war nun mal nicht so tiefgründig, dass ich auf Fragen wie diese die ewig gültige Antwort finden konnte.
Würden die Leute, die ich hier im Merlotte's bediente, lachen, wenn sie von meinen Skrupeln wüssten? Würde meine Sorge um meinen Seelenfrieden sie amüsieren? Viele würden vermutlich sagen, dass in der Bibel alle Lebenssituationen beschrieben seien und ich meine Antworten dort schon fände, wenn ich nur öfter im Buch der Bücher lesen würde.
Bislang hatte das zwar nicht funktioniert, aber ich hatte noch nicht aufgegeben. Und damit meine Gedanken sich nicht weiter im Kreis drehten, ließ ich jetzt zur Abwechslung mal meine Schutzbarrieren herunter, um zu sehen, was die Leute so dachten.
Sarah Weiss hielt mich für eine einfache junge Frau, die das unglaubliche Glück hatte, mit einer solchen Gabe (wie sie es nannte) gesegnet zu sein. Sie glaubte alles, was Lattesta ihr über die Ereignisse nach dem Einsturz der Pyramide erzählt hatte, denn hinter ihrer pragmatischen Lebenshaltung verbarg sich ein Hang zum Mystischen. Und auch Lattesta hielt es für höchst wahrscheinlich, dass ich Hellseherin war. Er hatte die Berichte der Notfallhelfer in Rhodes mit großem Interesse angehört, und seit unserer Begegnung war er der Ansicht, dass sie die Wahrheit gesagt hatten. Er wollte unbedingt herausfinden, wie ich meinem Land und seiner Karriere dienlich sein könnte, denn ihm würde eine dicke Beförderung winken, wenn er mein Vertrauen gewinnen und mein FBI-Führungsoffizier werden könnte. Und wenn er diesen anderen Mann auch noch
Weitere Kostenlose Bücher