Vampirgeflüster
Fluss der aktuellen Ereignisse geschoben.
Und um meine Wut noch zu steigern, stand ein Wagen vor meinem Haus. Dort parkten nur Besucher. Stirnrunzelnd und ziemlich entnervt stieg ich die Verandastufen zur Hintertür hinauf. Ich wollte keinen Besuch. Ich wollte mir bloß noch den Schlafanzug anziehen, das Gesicht waschen und mich mit einem Buch ins Bett verkriechen.
Am Küchentisch saßen Octavia und ein Mann, den ich nicht kannte. Er war einer der schwärzesten Schwarzen, die ich je gesehen hatte, und sein Gesicht war rund um die Augen mit Tätowierungen verziert. Aber trotz dieser furchterregenden Aufmachung wirkte er ruhig und freundlich. Er stand sogar auf, als ich eintrat.
»Sookie«, sagte Octavia mit bebender Stimme, »das ist mein Freund Louis.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Ich hielt ihm die Hand hin, und er schüttelte sie mit sanftem Druck. Dann setzte ich mich, damit auch er wieder Platz nehmen konnte. Erst da sah ich die Koffer, die in der Diele standen. »Octavia?«, fragte ich und zeigte darauf.
»Nun, Sookie, sogar im Leben von uns alten Ladys gibt es noch die Liebe.« Octavia lächelte. »Louis und ich waren vor Katrina eng befreundet. Er wohnte in New Orleans ungefähr zehn Autominuten entfernt von mir. Nach dem Hurrikan habe ich verzweifelt nach ihm gesucht. Doch irgendwann gab ich auf.«
»Ich habe sehr lange versucht, Octavia zu finden«, sagte Louis, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Und vor zwei Tagen habe ich endlich ihre Nichte ausfindig gemacht, und ihre Nichte gab mir die Telefonnummer dieses Hauses hier. Ich konnte es gar nicht fassen, dass ich sie tatsächlich gefunden hatte.«
»Stand Ihr Haus noch nach ...?« Nach der Katastrophe, dem Unheil, der Apokalypse - welches Wort man auch wählte, sie passten alle.
»Ja, gelobt seien die Götter. Und ich habe sogar Strom. Es ist noch viel zu tun, aber ich habe Licht und Heizung. Und Kochen kann ich auch wieder. Mein Kühlschrank brummt, die Straße ist fast freigeräumt, und mein Dach habe ich selbst wieder gedeckt. Octavia kann zu mir nach Hause kommen, es ist alles bereit für sie.«
»Sookie«, begann Octavia sehr sanft, »es war so lieb von dir, mich hier wohnen zu lassen. Aber ich möchte bei Louis sein, und ich muss zurück nach New Orleans. Dort kann ich bestimmt irgendwie beim Wiederaufbau der Stadt helfen. Es ist mein Zuhause.«
Octavia hatte offenbar das Gefühl, dass sie mir einen herben Schlag versetzte. Und so versuchte ich, angemessen betroffen zu wirken. »Du musst tun, was für dich das Beste ist, Octavia. Ich fand es wunderbar, dich hier zu haben.« Ich war ja so dankbar, dass Octavia nicht Gedanken lesen konnte. »Ist Amelia zu Hause?«
»Ja, sie ist oben und holt etwas. Die Gute hat doch tatsächlich ein Abschiedsgeschenk für mich.«
»Ohhh«, flötete ich und versuchte, nicht allzu sehr zu übertreiben. Louis warf mir einen scharfen Blick zu. Aber Octavia strahlte mich an, wie ich sie noch nie zuvor hatte strahlen sehen. Ein Gesichtsausdruck, der mir sehr gefiel an ihr.
»Ich bin nur froh, dass ich dir so eine Hilfe war«, sagte sie und nickte vielsagend.
Es fiel mir zunehmend schwerer, meine leicht traurige, aber dennoch tapfere Miene aufrechtzuerhalten, doch es gelang mir. Und zum Glück kam in diesem Moment Amelia die Treppe heruntergelaufen, mit einem Umschlag in den Händen, den sie mit einem zur Schleife gebundenen zarten roten Schal umwickelt hatte. Ohne mich anzusehen, ging Amelia auf Octavia zu. »Hier ist ein kleines Geschenk von Sookie und mir. Ich hoffe, es gefällt dir.«
»Oh, wie lieb. Ach, es tut mir so leid, dass ich je an deinen Zauberkünsten gezweifelt habe, Amelia. Du bist eine hervorragende Hexe.«
»Octavia, das aus deinem Mund zu hören, bedeutet mir wirklich sehr viel!« Amelia war ehrlich gerührt und den Tränen nahe.
Und dann brachen Louis und Octavia auf, Gott sei Dank. Ich mochte und achtete die ältere Hexe, doch sie war auch immer wieder mal der Stolperstein im sonst so glatten Ablauf unseres Haushalts gewesen.
Ich stieß tatsächlich einen erleichterten Stoßseufzer aus, als endlich die Tür hinter Octavia und ihrem Freund ins Schloss fiel. Wir hatten uns alle ein ums andere Mal voneinander verabschiedet, und Octavia hatte uns beiden wiederholt für Verschiedenstes gedankt, natürlich nicht, ohne uns auch immer wieder an alle möglichen mysteriösen Dinge zu erinnern, die sie für uns getan hatte und an die wir uns gar nicht erinnern konnten.
»Der Himmel sei
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