Vampirgeflüster
gepriesen«, stöhnte Amelia und sank auf die Treppenstufen. Sie war nicht religiös, oder zumindest nicht im traditionellen christlichen Sinne, so dass allein schon diese Worte aus ihrem Munde einiges bedeuteten.
Ich sackte in eine Sofaecke. »Herrje«, stöhnte ich, »die beiden leben hoffentlich glücklich miteinander bis an ihr Ende.«
»Oh, meinst du, wir hätten Louis noch irgendwie überprüfen sollen?«
»Eine so machtvolle Hexe wie Octavia dürfte wohl auf sich selbst aufpassen können.«
»Auch wieder richtig. Aber hast du diese Tätowierungen gesehen?«
»Die waren echt beeindruckend, was? Vermutlich ist er so eine Art Hexenmeister.«
Amelia nickte. »Ja, ich glaube, er praktiziert irgendeine Form afrikanischer Magie«, sagte sie. »Wir müssen uns sicher keine Sorgen machen, dass Octavia und Louis unter der hohen Kriminalitätsrate in New Orleans leiden werden. Die beiden werden von niemandem überfallen.«
»Was haben wir ihr eigentlich geschenkt?«
»Ich habe meinen Dad angerufen, und er hat mir einen Geschenkgutschein für einen seiner Baumärkte gefaxt.«
»Hey, gute Idee. Was schulde ich dir dafür?«
»Keinen Cent. Er hat darauf bestanden, die Kosten zu übernehmen.«
Na, immerhin hatte dieses glückliche Ereignis meine allumfassende Wut abgekühlt. Und ich fühlte mich auch Amelia wieder verbundener, jetzt, da ich ihr nicht mehr unterschwellig verübelte, dass sie mir Octavia ins Haus gebracht hatte. Wir saßen noch über eine Stunde in der Küche und plauderten, ehe ich schlafen ging, auch wenn ich zu erledigt war, um all die Geschehnisse der letzten Zeit ausführlich zu erzählen. Doch als wir in unsere Zimmer gingen, waren wir so gute Freundinnen wie schon lange nicht mehr.
Während ich mich bettfertig machte, dachte ich an unser praktisches Geschenk für Octavia, und das erinnerte mich an den Briefumschlag, den Bobby Burnham mir ausgehändigt hatte. Ich holte ihn aus der Handtasche und riss mit dem Fingernagel den Falz auf. Als ich die Karte aufklappte, lag darin ein Foto, das ich noch nie gesehen hatte. Offenbar war es auch während Erics Fotoshooting für den Vampir-Kalender gemacht worden, den man in dem kleinen Geschenkeshop des Fangtasia kaufen konnte. Auf dem Kalenderfoto posierte Eric als Mr Januar mit nichts als einer weißen Pelzrobe neben einem zerwühlten Bett vor hellgrauem Hintergrund, vor dem riesige, glitzernde Schneeflocken herabfielen. Ein Knie angewinkelt auf dem Bett, den Fuß des anderen Beins auf dem Boden stand er aufrecht da und zog sich die aufs Bett geworfene Pelzrobe gerade weit genug heran, um sein bestes Stück zu verdecken. Auf dem Foto, das Eric mir heute geschickt hatte, stand er ungefähr in der gleichen Pose da, nur dass er dem Betrachter eine Hand entgegenstreckte, als wollte er ihn zu sich ins Bett locken. Und die weiße Pelzrobe verdeckte auch nicht mehr wirklich alles. »Ich warte auf die Nacht, in der du zu mir kommst«, hatte er in seiner engen Handschrift auf die sonst leere Karte geschrieben.
Etwas zu kitschig? Ja. Verführerisch? Oh, und wie. Ich spürte geradezu, wie mein Blut zu brodeln begann. Blöd nur, dass ich den Umschlag direkt vor dem Schlafengehen geöffnet hatte. Es dauerte definitiv sehr viel länger, bis ich an diesem Abend endlich eingeschlafen war.
Es war schon komisch, Octavia am nächsten Morgen nicht im Haus herumwuseln zu hören. Tja, sie war aus meinem Leben genauso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Blieb nur zu hoffen, dass Octavia und Amelia in dieser gemeinsamen Zeit auch mal über Amelias Stand im Hexenzirkel von New Orleans - oder dem, was davon übrig war - geredet hatten. Kaum zu glauben, dass Amelia tatsächlich einen jungen Mann in einen Kater verhext hatte (bei irgendeinem abenteuerlichen Sexspielchen), dachte ich, als ich meine Mitbewohnerin auf dem Weg in die Versicherungsagentur aus der Hintertür eilen sah. In ihrer marineblauen Hose und dem braun-marineblau gestreiften Pullover wirkte sie wie eine Pfadfinderin, die für einen guten Zweck Kekse verkaufen ging. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, atmete ich erleichtert auf. Heute Morgen war ich allein im Haus, zum ersten Mal seit langer Zeit.
Aber der Friede währte nicht lange. Ich trank gerade meinen zweiten Becher Kaffee und aß einen Butterkeks, als Andy Bellefleur und Spezialagent Tom Lattesta vor dem Haus auftauchten. Hastig zog ich irgendeine Jeans über und ein T-Shirt, ehe ich an die Tür ging.
»Andy, Mr Lattesta«,
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