Vampirgeflüster
sagte ich. »Kommen Sie doch herein.« Ich führte sie in die Küche, denn auf meinen Kaffee wollte ich ihretwegen nicht verzichten. »Möchten Sie auch eine Tasse?«, fragte ich, doch sie schüttelten beide den Kopf.
»Sookie«, begann Andy mit ernster Miene, »wir sind wegen Crystal hier.«
»Natürlich.« Ich biss von meinem Butterkeks ab, kaute bedächtig und schluckte. Nanu, war Lattesta etwa auf Diät, fragte ich mich, er folgte ja jeder meiner Bewegungen. Da musste ich mir gleich mal seine Gedanken ansehen. Aha, ihm gefiel nicht, dass ich keinen BH trug, denn meine Brüste lenkten ihn ab. Allerdings war ich sowieso etwas zu kurvig für seinen Geschmack. Er fand, dass er sich solche Gedanken besser gar nicht über mich machen sollte. Und er vermisste seine Ehefrau. Dann lenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Andy und fügte hinzu: »Ich habe mir schon gedacht, dass das erst mal wichtiger ist als die andere Sache.«
Ich hatte keine Ahnung, wie viel Andy wusste - oder wie viel Lattesta ihm erzählt hatte - von den Ereignissen in Rhodes. Doch Andy nickte. »Wir nehmen an«, begann er nach einem Blickwechsel mit Lattesta, »dass Crystal irgendwann nachts zwischen ein und drei Uhr früh gestorben ist.«
»Natürlich«, wiederholte ich.
»Das wussten Sie?« Lattesta nahm sofort seine Fährte auf, wie ein Spürhund.
»Liegt doch nahe. Irgendwelche Gäste sind immer bis eins oder zwei im Merlotte's, und zwischen sechs und acht Uhr morgens kommt dann normalerweise Terry zum Saubermachen. An dem Morgen war er allerdings nicht so früh dran, weil er den Abend vorher hinterm Tresen gestanden hatte und Schlaf brauchte. Aber daran hätten die meisten Leute wohl nicht gedacht, oder?«
»Richtig«, erwiderte Andy nach einer merklichen Pause.
»Na dann.« Ich hatte gesagt, was ich zu sagen hatte, und schenkte mir Kaffee nach.
»Wie gut kennst du Tray Dawson?«, fragte Andy.
Das war eine vieldeutige Frage. Die ehrliche Antwort lautete: »Nicht so gut, wie du denkst.« Ich hatte mal mit Tray Dawson in einer kleinen Gasse festgesessen und er war nackt gewesen, doch es war nicht so, wie die Leute dachten. (Ich hatte natürlich mitbekommen, dass sie sich so einiges dachten.) »Er ist mit Amelia zusammen«, sagte ich, was ja der Wahrheit entsprach. »Mit meiner Mitbewohnerin«, half ich Lattesta auf die Sprünge, der verständnislos dreinsah. »Sie haben sie vor zwei Tagen hier getroffen. Im Moment ist sie in der Arbeit. Ach ja, und Tray ist ein Werwolf.«
Lattesta blinzelte. Es würde wohl noch eine Weile dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte, dass die Menschen so etwas mit völlig ernstem Gesichtsausdruck einfach so aussprachen. Andy dagegen verzog keine Miene.
»Okay«, sagte Andy. »Ist Amelia mit Tray ausgegangen an dem Abend vor Crystals Tod?«
»Das weiß ich nicht mehr. Frag sie.«
»Werde ich tun. Hat Tray sich dir gegenüber je über deine Schwägerin geäußert?«
»Nicht, dass ich wüsste. Sie kannten sich natürlich, flüchtig zumindest, da sie beide Gestaltwandler waren.«
»Wie lange weißt du eigentlich schon von ... von den Werwölfen? Und den anderen Gestaltwandlern?«, fragte Andy, als könnte er sich diese Frage einfach nicht verkneifen.
»Oh, eine Weile«, erwiderte ich. »Zuerst wusste ich von Sam, und dann auch von ein paar anderen.«
»Und du hast keinem davon erzählt?«, fragte Andy ungläubig.
»Natürlich nicht«, sagte ich. »Die Leute halten mich auch so schon für verrückt genug. Außerdem war es nicht meine Sache, das Geheimnis zu lüften. Und, Andy -« Jetzt konnte ich ihm mal einen dieser Blicke zuwerfen. »Du hast es doch auch gewusst.« Denn zumindest in jener Nacht, als wir in der kleinen Gasse von einer Werwolf-Hasserin angegriffen worden waren, hatte Andy Tray in seiner Tiergestalt heulen gehört und danach als nackten Menschen daliegen sehen. Er musste nur noch die einzelnen Punkte Strich um Strich miteinander verbinden, um das Bild eines Werwolfs zu erhalten.
Andy sah auf den Notizblock, den er aus der Hosentasche gezogen hatte. Er schrieb nichts auf, sondern holte einmal tief Luft. »Tray hatte sich also gerade zurückverwandelt, als ich ihn damals in dieser Gasse sah? Freut mich, das zu hören. Ich habe dich nie für eine dieser Frauen gehalten, die in aller Öffentlichkeit Sex mit Männern haben, die sie kaum kennen.« (Na, so eine Überraschung; ich hatte Andy immer für einen dieser Männer gehalten, die jedes üble Gerücht über mich glaubten.) »Und was war
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