Vampirgeflüster
gehen.«
»Wir sehen uns bald, ja?« Ich war wach genug, um mich unsicher zu fühlen.
»Ja«, sagte er. Seine Augen glühten und seine Haut schimmerte. Die Wunde an seinem Handgelenk war verheilt. Ich berührte die Stelle, wo sie gewesen war. Er küsste mich auf den Hals, dorthin, wo er mich gebissen hatte, und mein ganzer Körper erbebte. »Bald.«
Und dann war er weg. Ich hörte, wie die Hintertür leise ins Schloss fiel. Mit dem letzten bisschen Kraft, das ich aufbringen konnte, stand ich auf und ging im Dunkeln durch die Küche, um den Riegel vorzuschieben. Ich sah Amelias Wagen neben meinem parken, sie war also irgendwann spätabends nach Hause gekommen.
Ich ging zur Spüle hinüber und füllte mir ein Glas mit Wasser. Weil ich die Küche auch im Dunkeln wie meine Westentasche kannte, brauchte ich kein Licht. Ich trank und merkte, dass ich sehr durstig war. Als ich mich schließlich umdrehen wollte, um wieder ins Bett zu gehen, nahm ich am Waldrand eine Bewegung wahr. Erstarrt blieb ich stehen, und mein Herz hämmerte auf höchst unerfreuliche Weise.
Bill trat zwischen den Bäumen hervor. Ich wusste, dass er es war, auch wenn ich sein Gesicht nicht deutlich erkennen konnte. Er hatte den Blick erhoben, und so war mir klar, dass er Eric beim Davonfliegen nachgesehen haben musste. Dann hatte sich Bill also schon von seinem Kampf mit Quinn erholt.
Ich hatte erwartet, dass ich mich darüber ärgern würde, Bill dort auf Beobachterposten zu entdecken, doch der Ärger stieg nicht hoch. Was immer auch zwischen uns vorgefallen war, mich verließ nie das Gefühl, dass Bill mich nicht einfach nur ausspioniert hatte - er hatte auch über mich gewacht.
Und außerdem, was hätte ich denn - praktisch gesehen - tun sollen? Ich konnte ja wohl kaum die Tür aufreißen und mich dafür entschuldigen, dass ich Männerbesuch hatte. In diesem Moment tat es mir nicht im Geringsten leid, dass ich mit Eric ins Bett gegangen war. Im Gegenteil, meine Lust war gestillt, und ich fühlte mich, als hätte ich das Thanksgiving des Sex gefeiert. Eric hatte zwar überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Truthahn - doch nachdem ich ihn mir auf meinem Küchentisch hübsch angerichtet mit Süßkartoffeln und Marshmallows vorgestellt hatte, war ich endgültig bettreif. Mit einem Lächeln auf den Lippen kroch ich unter die Decke, und mein Kopf hatte das Kissen kaum berührt, da schlief ich auch schon.
Kapitel 11
Ich hätte wissen müssen, dass mein Bruder mich besuchen kommen würde. Erstaunlich war eigentlich nur, dass er nicht schon viel früher aufgetaucht war. Als ich am nächsten Tag mittags aufstand - entspannt wie eine Katze in der Sonne -, lag Jason draußen im Garten auf jener Liege, die ich gestern benutzt hatte. Immerhin war er klug genug gewesen, nicht einfach ins Haus zu kommen, dachte ich, vor allem wenn man berücksichtigte, wie zerstritten wir waren.
Heute war es nicht annähernd so warm wie gestern, sondern kalt und rau. Jason war in eine dicke Tarnjacke eingepackt und trug eine Wollmütze auf dem Kopf und starrte in den wolkenlosen Himmel hinauf.
Mir fiel natürlich gleich die Warnung der Zwillinge ein, und so überprüfte ich ihn sorgfältig. Aber nein, es war Jason, dies Hirnmuster war mir vertraut. Doch vielleicht konnten Elfen sogar so etwas imitieren. Ich las einen Moment lang seine Gedanken. Nein, das war eindeutig mein Bruder.Es war seltsam, ihn dort so müßig herumliegen zu sehen, und noch seltsamer, dass er allein war. Jason tat immer irgendwas: reden, trinken, mit Frauen flirten, arbeiten - in seinem Job oder an seinem Haus; und wenn er nicht mit einer Frau zusammen war, hatte er immer seinen männlichen Schatten dabei - Hoyt (bis Holly ihn sich geschnappt hatte) oder Mel. Grübeln und Einsamkeit waren keine Daseinsformen, die ich mit meinem Bruder in Verbindung brachte. Und während ich noch an meinem Kaffeebecher nippte und ihn da so in den Himmel starren sah, kam mir der Gedanke: Jason ist jetzt Witwer.
Das war eine schwierige, neue Rolle für Jason, eine so schwierige, dass er sie vielleicht nicht meistern würde. Er hatte Crystal mehr gemocht als sie ihn. Auch das eine neue Erfahrung für meinen Bruder. Crystal - hübsch, dumm und treulos - war sein weibliches Pendant gewesen. Vielleicht hatte sie mit ihrer Untreue nur versucht, sich ihrer Unabhängigkeit zu versichern und gegen die Schwangerschaft aufzubegehren, die sie noch fester an Jason band. Vielleicht aber war sie auch nur eine miese
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