Vampirgeflüster
einstigen Freundin beeinflusst hatte. Arlene und ich würden keine Gelegenheit mehr haben, unseren Streit nach und nach bei der Arbeit beizulegen. Doch ich wollte die Dinge wenigstens so weit wieder hinbiegen, dass wir uns mit einem Nicken grüßen konnten, wenn wir uns mal im Wal-Mart über den Weg liefen.
Sie nahm schon nach dem ersten Klingeln ab. »Arlene, hier ist Sookie.«
»Hey, Süße, ich bin so froh, dass du anrufst«, sagte sie. Dann herrschte einen Augenblick lang Schweigen.
»Ich wollte kurz bei dir vorbeikommen«, begann ich verlegen, »um die Kinder zu sehen und auch um mit dir zu reden. Wenn das okay ist.«
»Aber sicher, komm vorbei. Nur gib mir ein paar Minuten Zeit, damit ich die größte Unordnung beseitigen kann.«
»Für mich brauchst du nicht aufzuräumen.« Ich hatte Arlenes Wohnwagen oft selbst geputzt, als Gegenleistung für einen Gefallen, den sie mir getan hatte, oder weil ich nichts anderes zu tun hatte, wenn sie ausgegangen war und ich als Babysitter für die Kinder dort war.
»Ich will nicht wieder in meine alten Gewohnheiten verfallen«, sagte sie fröhlich, und es klang so liebevoll, dass mir das Herz aufging... etwa einen Lidschlag lang.
Doch ich wartete keine einzige Minute.
Ich fuhr sofort los.
Ich konnte mir selbst nicht erklären, warum ich nicht tat, worum sie mich gebeten hatte. Vielleicht hatte ich etwas aus Arlenes Stimme herausgehört, sogar am Telefon. Vielleicht erinnerte ich mich aber auch nur daran, wie oft sie mich enttäuscht und bei wie vielen Gelegenheiten sie mich regelrecht niedergemacht hatte.
Ich hatte mir vermutlich noch nie erlaubt, über diese Vorfälle nachzudenken, weil sie mich in einem so kolossal erbärmlichen Licht zeigten. Ich hatte so händeringend nach einer Freundin gesucht, dass ich mich sogar mit den Krumen von Arlenes Tisch zufriedengab, obwohl sie mich ein ums andere Mal ausnutzte. Und als sie ihr Liebesglück zufällig bei einem Fanatiker fand, hatte sie kein zweites Mal überlegt, ehe sie mich zugunsten ihrer neuesten Flamme ausrangierte.
Je länger ich darüber nachdachte, desto größer wurde mein Wunsch, einfach wieder umzudrehen und nach Hause zu fahren. Aber schuldete ich nicht zumindest Coby und Lisa noch einen weiteren Versuch, mein Verhältnis zu ihrer Mutter wieder zu kitten? Ich dachte an all die Brettspiele, die wir gespielt hatten, an all die Abende, an denen ich sie zu Bett brachte und auch selbst im Wohnwagen schlief, weil Arlene angerufen und gefragt hatte, ob sie über Nacht wegbleiben könnte.
Was verdammt noch mal tat ich hier? Warum vertraute ich Arlene jetzt?
Ich vertraute ihr nicht, nicht vollständig. Deshalb wollte ich der Sache ja gerade auf den Grund gehen.
Arlene wohnte nicht in einem Wohnwagenpark, sondern auf einem halben Hektar Land etwas westlich von Bon Temps, das sie von ihrem Vater geerbt hatte. Nur ein Viertel des Grundstücks war kultiviert, gerade genug für den Wohnwagen und einen kleinen Garten. Dort stand am hinteren Ende eine alte Schaukel, die einer von Arlenes Verehrern mal für die Kinder aufgestellt hatte, und hinten am Wohnwagen lehnten zwei Fahrräder.
Ich sah auf das rückwärtige Ende des Wohnwagens, weil ich schon auf das verwilderte Grundstück vor dem von Arlene von der Straße abgebogen war. Das Haus der Nachbarn war wegen schlecht verlegter elektrischer Leitungen vor einigen Monaten abgebrannt und stand seitdem als halb verkohlte und verlassene Ruine da. Seine früheren Mieter wohnten längst woanders. Es gelang mir, direkt hinter diesem Haus zu parken, da das Unkraut sich aufgrund des kalten Wetters noch nicht hemmungslos hatte ausbreiten können.
Ich nahm den überwucherten Pfad, der dieses Haus von Arlenes Wohnwagen trennte. Nachdem ich mich durch das dichteste Gebüsch gekämpft hatte, kam ich an eine Stelle, von der ich einen guten Blick auf einen Teil der Parkplätze vor und auf alle hinter dem Wohnwagen hatte. Von der Straße her war nur Arlenes Auto zu sehen, weil sie vorne geparkt hatte.
Hinter dem Wohnwagen standen ein etwa zehn Jahre alter schwarzer Ford Ranger Pick-up und ein roter Buick Skylark, der ungefähr genauso alt war. Der Pick-up war schwer mit Holzbalken beladen, von denen einer so lang war, dass er weit über die Ladefläche hinausragte. Er war etwa zehn mal zehn Zentimeter dick, schätzte ich.
Während ich mir das alles ansah, trat aus der hinteren Tür des Wohnwagens eine mir nicht näher bekannte Frau auf die kleine Terrasse. Sie hieß Helen Ellis
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