Vampirgeflüster
nur erwidert habe. Und er kann auch behaupten, dass er von einem Plan, dich zu töten, nichts weiß. Er hat bloß seine Freundin besucht und hatte zufällig einige Holzbalken auf der Ladefläche seines Pick-up.«
»Was ist mit Helen Ellis?«
»Die hat Andy Bellefleur erzählt, dass sie nur die Kinder abholen kam, weil ihre Schulzeugnisse so gut waren und sie ihnen versprochen hatte, sie dafür zu Sonic auf ein großes Eis einzuladen. Und ansonsten weiß sie natürlich von gar nichts.« Amelias Miene ließ größte Zweifel erkennen.
»Arlene ist also die Einzige, die redet.« Ich trocknete das Backblech ab. Ich hatte heute Morgen Kekse gebacken. Meine gute alte Back-Therapie, billig und lecker.
»Ja, aber sie könnte jeden Augenblick widerrufen. Sie war völlig aufgewühlt, als sie ihre Aussage machte, und wird es sich wohl noch mal überlegen. Aber vielleicht zu spät. Wir können zumindest drauf hoffen.«
Ich hatte recht gehabt, Arlene war der Schwachpunkt. »Hat sie einen Anwalt?«
»Ja. Sid Matt Lancaster konnte sie sich nicht leisten, also hat sie Melba Jennings angeheuert.«
»Geschickter Schachzug«, sagte ich nachdenklich. Melba Jennings war nur ein paar Jahre älter als ich und die einzige Afro-Amerikanerin in Bon Temps, die Jura studiert hatte. Sie trug stets eine harte Miene zur Schau und ging extrem auf Konfrontationskurs. Es hieß, andere Anwälte würden immer unglaubliche Umwege in Kauf nehmen, wenn sie Melba auf der Straße auf sich zukommen sahen. »So steht Arlene nicht ganz so als rassistische Fanatikerin da.«
»Ich glaube kaum, dass darauf jemand hereinfällt. Aber Melba ist ein echter Pitbullterrier.« Melba war im Auftrag von Klienten schon öfter in Amelias Versicherungsagentur aufgetaucht. »Ich gehe jetzt erst mal mein Bett machen«, sagte Amelia dann, stand auf und reckte sich. »Übrigens, Tray und ich gehen heute Abend in Clarice ins Kino. Willst du mitkommen?«
»Du versuchst in letzter Zeit öfter, mich in deine Verabredungen einzubeziehen. Langweilt Tray dich etwa schon?«
»Kein bisschen«, erwiderte Amelia leicht überrascht. »Im Gegenteil, ich finde ihn toll. Trays Freund Drake hat ihn gelöchert. Drake hat dich im Merlotte's gesehen und möchte dich gern kennenlernen.«
»Ist er ein Wergeschöpf?«
»Nur ein netter Kerl, der dich hübsch findet.«
»Mit regulären Männern gehe ich nicht aus«, sagte ich lächelnd. »Das ist noch nie sonderlich gut gelaufen.« Es war stets katastrophal »gelaufen«, um ehrlich zu sein. Es ist eben nicht so richtig lustig, wenn man immer weiß, was der Mann, mit dem man ausgeht, gerade über einen denkt.
Und außerdem gab's ja noch das Thema Eric und unsere Undefinierte, aber intime Beziehung.
»Halt ihn dir einfach warm. Er ist wirklich schnuckelig, und damit meine ich, heißer als ein Dampfbügeleisen.«
Nachdem Amelia die Treppe hinaufgestapft war, schenkte ich mir ein Glas Tee ein. Ich versuchte zu lesen, konnte mich aber nicht auf mein Buch konzentrieren. Schließlich legte ich ein Lesezeichen hinein und starrte Löcher in die Luft. Mir gingen so viele Gedanken durch den Kopf.
Wo Arlenes Kinder jetzt wohl sein mochten, fragte ich mich. Bei Arlenes alter Tante, die in Clarice wohnte? Oder immer noch bei Helen Ellis? Mochte Helen Arlene genug, um Coby und Lisa aufzunehmen?
Ich wurde das quälende Gefühl nicht los, dass ich es war, die die traurige Situation der Kinder zu verantworten hatte. Doch das war eins der Dinge, die ich einfach würde ertragen müssen. Die eigentlich Verantwortliche war Arlene. Ich konnte für ihre Kinder nichts tun.
Und als hätte mein Nachdenken über Kinder an einen Nerv im Universum gerührt, klingelte auf einmal das Telefon. Ich ging an den Wandapparat in der Küche und sagte ohne große Begeisterung: »Hallo.«
»Miss Stackhouse? Sookie?«
»Ja, am Apparat«, erwiderte ich höflich.
»Hier spricht Remy Savoy.«
Der Exehemann meiner verstorbenen Cousine Hadley und der Vater ihres Sohnes. »Wie schön, dass Sie anrufen. Wie geht's Hunter?« Hunter war ebenfalls ein mit »Talent« gesegnetes Kind, Gott schütze ihn. Und zwar mit dem gleichen »Talent« wie ich.
»Dem geht's gut. Äh, was diese Sache angeht.«
»Ja?« Wir würden also über Telepathie reden.
»Er wird bald Ihre Hilfe brauchen. Er kommt in den Kindergarten, und dort wird es bestimmt auffallen. Ich meine, es wird sicher eine Zeit lang dauern, aber früher oder später...«
»Ja, dort wird es bestimmt auffallen.« Ich wollte
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