Vampirgeflüster
Amelia. Sie klang nicht wütend und verurteilte mich auch nicht.
»Nicht immer«, erwiderte ich nach kurzem Zweifeln und legte auf.
Eigentlich , dachte ich, als ich am Ende der Hummingbird Road auf dem Weg zu meinem Bruder links abbog, hat Jason doch recht damit, dass sich alles verändert hat, seit die Vampire an die Öffentlichkeit getreten sind ... der Meinung könnte ich mich wirklich anschließen.
Und dann stellte ich ganz profan fest, dass ich kaum noch Benzin hatte. Ich musste bei Grabbit Quik halten. Während das flüssige Gold in den Tank meines Wagens rann, verfiel ich wieder ins Grübeln über Jasons Bemerkungen. Was bloß war so dringend, dass ein zurückgezogener und die Menschen verabscheuender Halbelf auf Jasons Türschwelle auftauchte? Was hatte er Jason sagen wollen ... ? Herrje, ich sollte einfach nicht drüber nachdenken.
Das war doch dumm. Ich sollte lieber auf mich selbst aufpassen, anstatt Jasons Probleme zu lösen.
Doch als ich das Gespräch noch ein paar Minuten länger in Gedanken hin und her gewälzt hatte, beschlich mich der leise Verdacht, dass ich es schon etwas besser verstand.
Ich rief Calvin an. Zuerst begriff er nicht, wovon ich redete. Doch er willigte ein, sich bei Jason mit mir zu treffen.
Ich sah Jason flüchtig hinter dem Haus, als ich auf die kreisrunde Auffahrt vor dem hübschen, kleinen Haus einbog, das mein Vater kurz nach der Heirat meiner Eltern gebaut hatte. Es stand draußen auf dem Land, noch weiter westlich als Arlenes Wohnwagen, und obwohl es von der Straße aus zu sehen war, lagen dahinter ein Teich und mehrere Hektar Land. Mein Vater hatte die Jagd und das Angeln geliebt, wie mein Bruder auch. Jason hatte sich kürzlich erst einen behelfsmäßigen Schießstand errichtet, und ich konnte Gewehrschüsse hören.
Ich beschloss, durchs Haus zu gehen, und vorsichtshalber rief ich auch noch laut, als ich an der Hintertür stand.
»Hey!«, rief Jason zurück. Er hielt die .30-30 Winchester in Händen, die unserem Vater gehört hatte. Mel stand hinter ihm, mit einer Schachtel Munition. »Wir dachten, wir üben mal ein bisschen.«
»Gute Idee. Ich wollte nur sichergehen, dass ihr mich nicht für euren verrückten Besucher haltet, der noch mal wiedergekommen ist, um euch weiter anzuschreien.«
Jason lachte. »Ich kapier immer noch nicht, was sich der gute Dermot dabei gedacht hat, hier so einen Auftritt hinzulegen.«
»Ich schon, glaube ich«, sagte ich.
Jason streckte die Hand aus, ohne hinzugucken, und Mel gab ihm einige Kugeln. Dann öffnete Jason das Gewehr und lud es erneut. Ich blickte zu dem Sägebock hinüber, den er aufgestellt hatte, und sah die vielen leeren Milchkannen auf dem Boden liegen. Er hatte sie mit Wasser gefüllt, damit sie fester standen, und dank der vielen Einschusslöcher sickerte das Wasser in den Boden.
»Gut gezielt«, sagte ich und holte tief Luft. »Hey, Mel, willst du mir nicht mal von den Beerdigungen in Hotshot erzählen? Ich war dort noch nie auf einer, und Crystals findet ja statt, sobald die Leiche freigegeben ist, vermute ich.«
Mel wirkte etwas erstaunt. »Weißt du, ich wohn schon seit Jahren nicht mehr da draußen«, erwiderte er. »Ist einfach nichts für mich.« Wenn man von den blauen Flecken absah, wirkte er nicht wie jemand, der durch ein Zimmer geworfen worden war, und schon gar nicht von einem durchgeknallten Halbelf.
»Ich frag mich, warum dieser Kerl dich herumgeworfen hat, und nicht Jason.« Ich spürte, wie Mels Gedanken sich vor Angst fast kräuselten. »Bist du richtig verletzt?«
Er bewegte seine rechte Schulter ein wenig. »Erst dachte ich, es wär was gebrochen. Aber ist wohl nur verstaucht. Ich frag mich, was das für ein Kerl war. Auf jeden Fall keiner von uns.«
Er hatte meine erste Frage nicht beantwortet, fiel mir auf.
Jason sah ihn stolz an, weil er nicht herumgejammert hatte.
»Er ist ein Halbelf«, sagte ich.
Mel wirkte erleichtert. »Na, gut zu wissen. Hat mich ganz schön in meinem Stolz verletzt, dass der mich einfach so durchs Zimmer werfen konnte. Ich mein, ich bin immerhin ein vollblütiger Werpanther, und es war, als wär ich leicht wie ein Kienspan oder so was.«
Jason lachte. »Ich dachte, jetzt bin ich erledigt, der kommt jeden Moment rein und bringt mich um. Doch als Mel auf dem Sofa lag, fing der Kerl an, auf mich einzureden. Mel hat sich tot gestellt, und da stand dieser Verrückte, der mir so ähnlich sieht, und erzählte mir, was für einen Gefallen er mir getan hat...«
»Echt
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