Vampirjagd: Roman (German Edition)
einen Aufkleber angebracht hatte, auf dem stand, dass Werbung unerwünscht sei. Der Postbote hatte die Briefe einfach dazwischengesteckt, und zwei wichtige Schreiben ragten über die Hälfte heraus.
Vanessa nahm alles an sich, stieg zum Büro hoch und baute sich vor Bernis Schreibtisch auf. »Ich muss mit dir reden!«
»Mach zuerst die Post!«
»Genau darum geht es mir ja. Du hättest heute Morgen den Briefkasten ausleeren müssen. So aber hat der Postbote die Briefe einfach zwischen den Werbemüll gestopft. Schau her, wie sie aussehen! Die meisten sind verkrumpelt.«
Berni begann zu brüllen. »Zum Teufel noch mal! Ich kann nicht an alles denken. Schuld sind die Leute, die das Gelumpe austragen. Die können alle nicht lesen. Es steht doch groß genug auf dem Briefkasten, dass es verboten ist, das Zeug hineinzuwerfen!«
So aufgebracht hatte Vanessa ihren Mann noch nie erlebt. »Was ist denn mit dir los?«, fragte sie gereizt. »Wenn du unbedingt jemand anschreien willst, dann such dir jemand anderen.«
Gekränkt wandte sie ihrem Mann den Rücken zu und ging zu ihrem Schreibtisch. Als sie die Post öffnete und einsortierte, fiel ihr ein, dass sie Berni schon wieder nicht nach den seltsamen Briefen gefragt hatte. Doch im Augenblick fehlte ihr die Lust dazu, und sie sagte sich, dass es ihn mindestens einen Blumenstrauß oder eine Pralinenschachtel kosten würde, sie wieder zu versöhnen.
12
Die Stimmung im Büro war so schlecht, dass Vanessa am liebsten die Computermaus quer durch das Zimmer geschleudert hätte. Obwohl sie gut gefrühstückt hatte, litt sie unter einem nagenden Hungergefühl, und ihr wurde immer wieder schwindelig. Wahrscheinlich kommt es vom Magen, dachte sie. Es ist kein Wunder, dass er streikt, wenn Berni sich so aufführt.
Sie warf einen giftigen Blick auf ihren Mann, der sie eben das dritte Mal an diesem Tag wegen eines angeblichen Fehlers anschrie. Dabei hatte sie genau das getan, was er ihr aufgetragen hatte! Wenn seine Vorgaben nicht stimmten, konnte sie wohl am wenigsten dafür.
»Falls du so weitermachst, kannst du dir eine andere Sekretärin suchen!«, warnte sie ihn, als er erneut eine Aktenmappe auf ihren Tisch warf.
Ihr Mann öffnete schon den Mund, als wolle er etwas sagen, schloss ihn dann aber wieder und schüttelte den Kopf. Dann sah er sie mit einem unechten Lächeln an. »Es tut mir leid, Vanessa! Ich habe es nicht so gemeint. Aber es sind in letzter Zeit zu viele Geschäfte schiefgelaufen.«
Wenn Berni sich so benimmt, muss es schlimm um seinen Laden stehen, dachte Vanessa, und sie fühlte, wie ihre Wut zerrann. »Ich will dich nicht ärgern, Berni, aber wenn du mir Sachen an den Kopf wirfst, die nicht ich falsch gemacht habe, werde ich halt auch einmal grantig. Dabei müssen wir doch gerade jetzt zusammenhalten. Nur dann bekommen wir die Firma wieder auf die Beine.«
Berni nickte, ohne zu antworten, wirkte aber alles andere als überzeugt.
Hatte er Geschäfte hinter ihrem Rücken getätigt, die schiefgelaufen waren?, fragte Vanessa sich. Den Unterlagen zufolge, in die sie Einsicht hatte, war es ihnen im letzten Jahr gelungen, so viel Gewinn zu erzielen, dass sie gut davon leben konnten, und heuer sah es nicht schlechter aus.
»Willst du mir denn nicht sagen, was dich bedrückt?«, fragte sie.
Ihr Mann antwortete mit einem kurzen Auflachen. »Wie kommst du darauf, mich würde etwas bedrücken? Mit mir ist alles in Ordnung, glaube mir!«
Doch genau das tat Vanessa nicht. Sie roch sogar, dass Berni log. Wieder stieg Ärger in ihr hoch, weil er ihr so wenig Vertrauen schenkte und nicht bereit war, offen mit ihr zu reden. Daher kümmerte sie sich in der nächsten Stunde nur noch um die Arbeit.
Um sechzehn Uhr wollte sie Feierabend machen und packte ihre Sachen zusammen. Berni sah zu ihr hin, ohne ein Wort zu sagen. Sonst äußerte er stets Wünsche für das Abendessen oder bat sie, ihm auf dem Heimweg dieses oder jenes zu besorgen. Doch an diesem Tag saß er stumm wie ein Hackstock da und brachte nicht einmal ein »Bis gleich!« über die Lippen.
Vanessa verließ das Büro mit einem empörten Schnauben und eilte die Treppe hinab. In Gedanken versunken achtete sie nicht auf die drei Männer, die die Treppe hinaufstiegen.
Der Vordere, ein mittelgroßer Mann mit wuchtigem Kreuz und schwellenden Muskeln, sah ihr nach. »Was für ein fescher Hase! So einer ist mir in Sonnberg abgegangen.«
»Ob die zu Berni gehört, Erwin?«, fragte einer seiner Begleiter, die beide
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