Vampirjagd: Roman (German Edition)
verließ Stela ihren Platz etwas früher als nötig, denn sie wollte nicht noch einmal in die Verlegenheit geraten, sich etwas zum Anziehen klauen zu müssen. Noch in ihrer Form als kleines Mädchen wanderte sie in die Straße, in der Daniela wohnte, schlich sich durch die unversperrte Tür auf das Nachbargrundstück und benützte einen Steingarten an der Grundstücksgrenze als Steighilfe, um über die Mauer zu steigen, die Danielas Garten umschloss.
Noch während sie darüberstieg, merkte sie, dass etwas anders war als beim letzten Mal. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie einen kleinen, schwarzen Kasten unter dem Dachfirst des Anbaus entdeckte. Was das war, hatte ihr Herr ihr und den anderen Kindern klargemacht. Es handelte sich um eine automatische Kamera, vielleicht sogar um einen Bewegungsmelder, mit dem Daniela nach dem versuchten Brandanschlag ihren Garten überwachen ließ.
Damit hatte Stela nicht gerechnet. Ein Busch, der neben dem Zaun stand, kam ihr da gerade recht. Ganz vorsichtig, um ja nichts auszulösen, glitt sie zwischen ihn und die Mauer und blieb erst einmal auf der Erde liegen. Das üppige Laub des Busches schirmte sie ebenso gegen die Kamera wie gegen fremde Augen ab, und so schöpfte sie Hoffnung, es könnte doch alles gut gehen.
Auf einmal wurde sie jedoch unruhig. Ihr Herz schlug hart gegen ihre Rippen, und sie glaubte, Blut zu schmecken. Das Gefühl war so intensiv, dass sie mehrfach ausspuckte, um den Geschmack loszuwerden. Irgendetwas war geschehen, zwar nicht so grauenhaft wie in der letzten Nacht, aber schlimm genug. Sofort musste Stela gegen den Wunsch ankämpfen, ganz weit wegzurennen und sich zu verstecken. Ein besseres Versteck als hinter diesem Busch in Danielas Garten gab es jedoch nicht. Hier konnte sie in Ruhe ihre Verwandlung abwarten und sich dann als Hund bemerkbar machen.
15
Als Daniela spürte, wie ein anderer Vampir seine Zähne in den weichen Hals seines Opfers schlug und dessen Blut saugte, erlitt sie einen Schock. Seit Jahrzehnten hatte Urban den Wiener Vampiren die freie Jagd untersagt und diejenigen ausgeschaltet, die sich diesem Gesetz nicht hatten beugen wollen. Als Letzter hatte Florian Mischka dagegen aufbegehrt und war als Handlanger der schwarzen Königin umgekommen.
Vom Club war es niemand, das wusste sie genau. Verwirrt schüttelte Daniela den Kopf. Die Vampirin, deren Spur Dilia und sie verfolgt hatten, war in der letzten Nacht ermordet worden. Gab es vielleicht noch einen weiteren Vampir, von dem sie noch nichts wussten? Oder hatte die Vampirin doch überlebt?
Daniela kam die Zeit zwischen dem Todesgefühl jenes Vampirs und diesem Angriff jedoch viel zu kurz vor. Obwohl sie die Selbstheilungsfähigkeiten ihrer Leute kannte, denen selbst ein Schuss ins Herz nicht viel ausmachte, hätte keiner davon sich so schnell erholt, wie es hier der Fall zu sein schien.
Noch während sie darüber nachdachte, klingelte ihr Handy. »Hier Daniela Lassky, was gibt es?« Die Anspannung ließ sie harscher antworten als gewohnt.
Es war Cynthia, und sie schien vollkommen aufgelöst. »Hast du es auch gemerkt? Dilia dreht beinahe durch!«
»Ja, ich habe es auch gespürt. Wo seid ihr?«, sagte Daniela.
»In unserer Wohnung, weil wir noch etwas holen wollten. Dilia ist vollkommen fertig. Bitte komm so schnell wie möglich. Vielleicht kannst du sie beruhigen.«
»Ich bin schon unterwegs!« Daniela wollte sofort los, dachte dann aber an Urbans Warnung, nicht allein in die Stadt zu gehen, und stieg zu Istvan hinauf, der es sich im zweitgrößten Gästezimmer bequem gemacht hatte.
»Kannst du mit mir zu Dilia gehen? Cynthia kommt mit ihr allein nicht zurecht.«
»Ist es noch wegen gestern?«, fragte der Vampir, der in den mehr als einhundert Jahren, die er bereits in Wien lebte, seinen ungarischen Akzent nicht verloren hatte.
»Nein, es ist was Neues. Ein Vampir hat gerade eben Beute gemacht. Ich habe es auch gespürt.«
»Átkozott!«, entfuhr es Istvan. »Das ist eine verdammt schlechte Nachricht.«
»Das kannst du laut sagen! Aber jetzt komm, sonst dreht Dilia noch ganz durch.« Daniela eilte zur Tür und ärgerte sich unwillkürlich, weil Urban darauf verzichtet hatte, ein Auto für sie beide zu kaufen. Zwar kam man von hier aus mit Taxi und U-Bahn überallhin, doch wenn es so pressierte wie jetzt, hätte sie sich gewünscht, unabhängig von den öffentlichen Verkehrsmitteln zu sein.
Da sie jedoch kein Auto herbeizaubern konnte, rief sie ein Taxi. Der Wagen
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