Vampirjagd: Roman (German Edition)
E-Mails beantworten müssen. Da es auch an den vergangenen Tagen kaum mehr Arbeit gegeben hatte, fragte sie sich, weshalb sie dafür jedes Mal durch die halbe Stadt in dieses Hinterhofbüro in der Biberstraße fahren musste.
»Kann ich das nicht auch daheim am Computer erledigen?« fragte sie ihren Mann kurz vor Feierabend.
Berni sah sie zuerst verwirrt an und schüttelte dann energisch den Kopf. »Das geht nicht! Ich müsste dich immer wieder anrufen und dir erklären, was du schreiben sollst. Hier kann ich auf den Bildschirm schauen und dich korrigieren. Außerdem möchte ich Geschäftliches und Privates scharf trennen. Wenn du dich bei einem Brief oder einer Mail vertust und die Adresse unserer Wohnung angibst, kommen die Kunden dorthin. Das wäre sehr ärgerlich, denn ich habe alle Unterlagen hier.«
Obwohl die Ausführungen ihres Mannes logisch klangen, war Vanessa bewusst, dass es nur vorgeschobene Gründe waren. Er schwitzte so, als fühlte er sich unter Druck gesetzt, und hatte zudem, wie sie nach einem weiteren Schnuppern herausfand, sich am Morgen weder die Zähne geputzt noch geduscht. Dabei legte er normalerweise sehr viel Wert auf sein Äußeres. Nun wuchs in ihr der Verdacht, dass ihn größere Sorgen quälten, die er aber von ihr fernhalten wollte, und es kränkte sie, dass er ihr nicht vertraute.
»Hast du noch was für mich zu tun?«, fragte sie daher kühl.
Berni schüttelte den Kopf. »Ich glaube, heute wird es nichts mehr. Wir können in einer halben Stunde den Laden dichtmachen und heimgehen. Dann hast du genug Zeit, ein gutes Abendessen zu kochen.«
»Heute Abend gibt es nur Reste! Du hast gestern fast nichts gegessen, und wegwerfen wollte ich nichts.« Vanessas Verstimmung wuchs, denn Berni hatte noch nie an Appetitlosigkeit gelitten. Also musste ihm das, was er vor ihr verheimlichte, massiv zusetzen.
In dem Moment erinnerte sie sich an die Post vom Vortag. Berni hatte fünf Briefe erhalten, ihr aber nur vier zum Beantworten weitergereicht. Auch an diesem Tag hatte sie nur die drei Briefe bearbeitet, die am Vormittag gekommen waren. Was mochte es mit jenem Brief auf sich haben, den Berni vor ihr verbarg? War dessen Inhalt womöglich am Verhalten ihres Mannes schuld?
Um Klarheit zu gewinnen, schlug Vanessa die Mappe mit den eingegangenen Briefen auf, fand dort aber nur die vier Geschäftsbriefe vom Vortag. Der fünfte fehlte.
»Hast du gestern vergessen, mir die gesamte Post zu geben?«, fragte sie ihren Mann.
»Wie kommst du denn darauf? Ich habe dir alles hingelegt!«
Berni log. Darauf hätte Vanessa gewettet. Doch warum tat er das? Gab es geschäftliche Probleme, die ihr Mann vor ihr verbergen wollte? Bisher hatte sie sich wenig darum gekümmert, womit er handelte, doch jetzt wurde sie neugierig und blätterte stichprobenartig einige Aktenordner durch. Die meisten Firmen, die hier als Lieferanten und Empfänger bezeichnet wurden, waren ihr nur von Mails her bekannt.
Verwundert kehrte sie zu ihrem Schreibtisch zurück und nützte die letzten Minuten, um ein paar dieser Firmen im Internet nachzuspüren. Doch der sonst so allwissende Datenfresser biss sich bei einigen Namen und Adressen die Zähne aus.
»Wir können gehen!«
Bernis Stimme klang gerade in dem Augenblick auf, als Vanessa glaubte, den ersten Zipfel einer Information in Händen zu halten. Schnell notierte sie sich die Internetseite, die sie aufgerufen hatte, fuhr die Anlage herunter und schaltete sie aus. Dann packte sie ihre Umhängetasche und drehte sich zu Berni um. »Ich muss auf dem Heimweg noch in die Fleischhauerei, um ein paar Frankfurter zu kaufen, für den Fall, dass das Essen nicht ausreicht!«
»Meinetwegen! Dann treffen wir uns zu Haus.«
Mit diesen uninteressiert klingenden Worten verließ Berni das Büro. Vanessa blieb verletzt zurück. Sonst war er immer mit ihr gegangen, wenn sie auf dem Heimweg eingekauft hatte, doch diesmal überließ er es ihr sogar, seinen Schreibtisch aufzuräumen.
Vielleicht ist das meine Chance, den vermissten Brief zu finden, durchfuhr es sie, und sie machte sich auf die Suche. Eine Viertelstunde später gab sie es auf. Da die Zeit knapp wurde, sperrte sie das Büro zu und machte sich auf den Weg.
Als sie die U-Bahn zum Umsteigen verließ, sah sie ihren Bus bereits an der Haltestelle stehen. Wenn sie nicht noch mehr Zeit verlieren wollte, musste sie ihn erreichen. Daher sprintete sie los und legte die Strecke so schnell zurück, dass sie gerade noch durch die Tür
Weitere Kostenlose Bücher