Vampirmelodie
noch einen Vater hatte.
»Er hat gesagt, wenn Jimmies Kinder nichts dagegen haben, ist’s auch für ihn okay.«
»Kinder«, wiederholte ich nur, denn hier bewegte sich das Gespräch auf eindeutig heikles Terrain.
»Sie hat zwei Söhne und ’ne Tochter, neunzehn, zwanzig und zweiundzwanzig«, erzählte Terry, und er schien richtig glücklich darüber zu sein. »Und sie haben alle schon selbst Kinder. Jetzt hab ich sogar ’n paar Enkel.«
»Ihren Kindern hat die Vorstellung, einen Stiefvater zu bekommen, also gefallen?« Ich lächelte breit.
»Ja.« Terry wurde rot. »Sie haben sich richtig gefreut. Ihr Dad ist vor zehn Jahren gestorben, und der war ’n ziemlich fieser Mistkerl. Jimmie hat’s nicht immer leicht gehabt.«
Ich umarmte ihn. »Ich freu mich so für dich. Wann ist die Hochzeit?«, fragte ich.
»Tja.« Jetzt wurde er sogar noch röter. »Die war gestern.Wir sind rüber über die Bundesstaatsgrenze nach Magnolia und haben dort geheiratet.«
Ich stieß einen kleinen Freudenschrei aus und klopfte ihm mehrmals auf die Schulter, doch es warteten bereits einige Leute darauf, dass wir weiterfuhren, damit sie an die Zapfsäulen herankamen. Ich konnte aber nicht gehen, ohne auch Annie noch zu klopfen und ihr zu gratulieren, dass sie nun einen Ehemann hatte. (Ihr letzter Wurf war von Jimmies Catahoula gezeugt worden, und mit dem nächsten würde es wohl genauso sein.) Annie schien sich ebenso sehr zu freuen wie Terry.
Ich lächelte immer noch, als ich auf meine Auffahrt einbog und am Briefkasten anhielt, um nach der Post zu sehen. Ich sagte mir, dass wäre das letzte Mal bis morgen, dass ich bei dieser Hitze rausging. Ich fürchtete mich fast, das klimatisierte Auto noch einmal zu verlassen. Im Juli schien um sieben Uhr abends immer noch die Sonne, und das würde sie auch über eine Stunde lang noch tun. Die Temperatur erreichte zwar keine 40 Grad mehr, aber es war noch sehr heiß. Mir lief vom Benzinzapfen noch immer der Schweiß den Rücken hinunter. Eine Dusche war alles, woran ich denken konnte.
Ich sah den kleinen Haufen Post nicht mal durch, sondern warf ihn einfach auf den Küchentresen und steuerte direkt auf mein Badezimmer zu, wobei ich mir auf dem Weg dorthin schon die schweißfeuchten Kleider auszog. Sekunden später stand ich beseligt unter einem Strom Wasser. Mein Handy klingelte, während ich mir den Schaum abspülte, doch ich beschloss, mich nicht zu beeilen. Dazu genoss ich das Duschen viel zu sehr. Ich trocknete mich ab und schaltete den Fön ein. Das Surren der warmen Luft schien durch die Zimmer zu hallen.
Stolz warf ich einen Blick auf die Schubladen meiner Kommode, als ich ins Schlafzimmer kam. Darin war allesordentlich aufgeräumt, so wie im Nachttisch und in der Frisierkommode. Ich hatte nicht vieles in meinem Leben unter Kontrolle, aber wahrlich!, meine Schubladen waren aufgeräumt. Mir fiel auf, dass eine herausgezogen war, nur ein wenig. Ich runzelte die Stirn. Gewöhnlich machte ich Schubladen immer ganz zu. Das war eine der Regeln meiner Mutter, und obwohl ich sie verloren hatte, als ich erst sieben war, hatte ich mich stets daran gehalten. Sogar Jason achtete darauf, Schubladen immer ganz zu schließen.
Ich zog sie heraus und sah hinein. Meine Krimskrams-Schublade (Seidenstrümpfe, Halstücher, Abendhandtaschen und Gürtel) war immer noch ordentlich, obwohl die Halstücher nicht mehr ganz so aufgereiht zu sein schienen, wie ich sie hineingetan hatte, und einer der braunen Gürtel lag bei den schwarzen. Hmmm. Einen langen Augenblick lang starrte ich die Sachen in der Schublade an und wünschte, ich könnte sie zum Reden bringen. Dann machte ich die Schublade wieder zu und achtete diesmal darauf, dass sie richtig schloss. Das Geräusch von Holz, das auf Holz traf, dröhnte laut in dem stillen Haus.
Das große alte Haus, das seit über hundertfünfzig Jahren Stackhouses beherbergte, hatte nie sonderlich leer gewirkt auf mich, bis ich eine Zeit lang Hausgäste aufgenommen hatte. Als Amelia nach New Orleans zurückgegangen war, um ihre Schuld dem Hexenzirkel gegenüber zu begleichen, hatte ich das Gefühl gehabt, dass mein Haus ein einsamer Ort war. Aber ich hatte mich wieder daran gewöhnt. Dann waren Claude und Dermot eingezogen … und für immer gegangen. Und jetzt fühlte ich mich wie eine kleine Biene, die ganz allein in einem leeren Bienenkorb herumflog.
In diesem Moment fand ich den Gedanken, dass Billsich auf der anderen Seite des alten Friedhofs erheben würde,
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