Vampirmelodie
dir heute Abend?«
»Bestens, danke«, erwiderte ich. »Aber ich bin enorm müde.« Der Wink mit dem Zaunpfahl.
»Würde es dir sehr viel ausmachen, wenn ich für einen Augenblick bei dir zu Hause vorbeikomme? Ich habe einen Besucher, einen Mann, dem du schon mal begegnet bist. Er ist Journalist und Autor.«
»Oh, der kam mal mit Kym Rowes Eltern hierher, stimmt’s? Harp irgendwas?« An seinen letzten Besuch hatte ich keine guten Erinnerungen.
»Harp Powell«, sagte Bill. »Er schreibt an einem Buch über Kyms Leben.«
Biografie eines toten Halbbluts: Das kurze Leben einer jungen Stripperin . Wie Harp Powell Kym Rowes deprimierende Geschichte in literarisches Gold verwandeln wollte, konnte ich mir wirklich nicht vorstellen. Doch Bill hielt viel von den Leuten der schreibenden Zunft, selbst von so kleinen Lichtern wie Harp Powell.
»Dürften wir ein paar Minuten deiner Zeit beanspruchen?«, hakte Bill sanft nach. »Ich weiß, dass die letzten Tage sehr schrecklich für dich waren.«
Es klang, als hätte die Neuigkeit über meinen kurzen Gefängnisaufenthalt auch ihn erreicht, vermutlich über Danny Prideaux.
»Okay«, sagte ich, »gib mir zehn Minuten, und dann könnt ihr mich kurz besuchen kommen.« Als mein Urgroßvater Niall dieses Land verließ, hatte er den Erdboden mit viel Magie gesättigt. Es war zwar herrlich, den Garten blühen, reiche Früchte tragen und grünen zu sehen, doch jetzt ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass ich all die Pflanzen im Garten sofort für einen richtig guten Schutzzauber eingetauscht hätte. Zu spät! Niall hatte meinen Cousin und Wachhund Claude mit zurück in die Elfenwelt genommen, um ihn für seine Rebellion und den Versuch, mich zu bestehlen, zu bestrafen, und mich stattdessen mit einer Unmenge Tomaten zurückgelassen. Der Letzte, der Schutzzauber um mein Haus herum angebracht hatte, war der Kobold Bellenos gewesen, und obwohl er sich über die Schutzmaßnahmen anderer Leute lustig gemacht hatte, traute ich denen von Bellenos nicht richtig. Mir wäre eine Waffe jederzeit lieber als Magie, aber vielleicht sprach da nur die Amerikanerin in mir. Ich hatte ein Gewehr im Wandschrank bei der Vordertür und die wiederaufgetauchte Schrotflinte meines Vaters in der Küche. Als Michele und Jason zur Vorbereitung von Micheles Einzug alle Wandschränke und Stauräume in Jasons Haus ausgemistet hatten, war alles Mögliche aufgetaucht, lauter Sachen, über deren Verbleib ich mich schon seit Jahren wunderte, wie zum Beispiel das Hochzeitskleid meiner Mutter. (So wie ich nach Grannys Tod ihr Haus bekam, hatte Jason das meiner Eltern geerbt.)
Ich sah das Hochzeitskleid hinten in meinem Schrank, als ich ihn öffnete, um mich für meine ziemlich unwillkommenen Gäste anzuziehen. Jedes Mal, wenn ich den Volantrock sah, wurde ich daran erinnert, wie sehr ich mich von meiner Mutter unterschied; aber ich wünschte mir auch jedes Mal, ich hätte die Gelegenheit gehabt, sie als Erwachsene zu kennen.
Ich schüttelte mich, griff nach einem T-Shirt und Jeans und hielt mich nicht lange mit Schminken auf. Mein Haar war noch feucht, als die beiden Männer an meiner Hintertür klopften. Bill hatte mich bereits in jedem Stadium der Bekleidung und der Nacktheit gesehen, das es gab, und was Harp Powell dachte, war mir egal.
Der Journalist stürmte geradezu in meine Küche herein. Er wirkte aufgebracht.
»Haben Sie das gesehen?«, fragte er mich.
»Was? Hallo, übrigens. ›Vielen Dank, Miss Stackhouse, dass Sie mich am Ende eines langen, anstrengenden Tages noch bei sich zu Hause empfangen.‹« Doch er begriff meinen Sarkasmus nicht, obwohl er so dick aufgetragen war wie Sand in der Wüste.
»Wir wurden im Wald von einer Vampirin aufgehalten«, erzählte er aufgeregt. »Von einer wunderschönen Vampirin! Und sie wollte wissen, warum wir zu Ihrem Haus gehen und ob wir bewaffnet sind. Es war wie bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen.«
Wow. Großartig . Karin schob in meinem Wald Dienst! Ich hatte einen Schutzwall, und nicht nur einen magischen. Ich hatte eine echte Vampir-Nachtpatrouille.
»Die Freundin eines Freundes«, erklärte ich lächelnd. Bill erwiderte mein Lächeln. Er sah schick aus heute Abend in seinen Stoffhosen und dem langärmeligen karierten und frisch gebügelten Baumwollhemd. Hatte er das etwa selbst gebügelt? Wahrscheinlicher war, dass erall seine Hemden und Hosen von Danny in die Wäscherei hatte bringen lassen. In traurigem Kontrast dazu trug Harp Powell Khakishorts
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