Vampirmelodie
auch wenn ich jede Menge Wut für eine Prügelei verspürte. Und Sam wollte ich auch um nichts bitten. Ich hatte ihn schon um so viel gebeten, und er benahm sich so seltsam heute.
Also, Möglichkeit zwei. Aber nur damit jemand wusste, dass etwas vor sich ging … und sehr viel spezifischer wurde ich nicht … rief ich Kenya an. Sie nahm nach dem ersten Klingeln ab, und da sie sehen konnte, dass ich sie anrief, nahm ich das als gutes Zeichen.
»Kenya, ich komme gerade aus der Arbeit, und hinter dem Merlotte’s schleicht irgendwer zwischen den Bäumen herum«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung, was jemand dort hinten will – außer Sams Wohnwagen ist da nichts –, aber ich werde nicht versuchen, auf eigene Faust etwas zu unternehmen.«
»Richtig so, Sookie, da Sie weder bewaffnet sind noch Polizistin«, sagte Kenya in schroffem Ton. »Oh … Sie sind doch nicht bewaffnet, oder?«
Viele Leute besaßen eigene Waffen in unserer Gegend, und fast jeder hatte eine Schrotflinte für Kleintiere. (Man musste immer damit rechnen, dass ein tollwütiges Stinktier im Garten auftauchte.) Ich selbst hatte ein Gewehr und die alte Schrotflinte meines Vaters zu Hause. Kenyas Frage war also nicht aus der Luft gegriffen.
»Ich habe keine Waffe dabei«, erwiderte ich.
»Wir kommen und sehen uns das mal an«, sagte sie. »Klug von Ihnen, anzurufen.«
Es tat gut, das zu hören. Eine Polizistin fand, dass ich etwas Kluges getan hatte. Ich war froh, die Abzweigung auf meine Auffahrt ohne weiteren Zwischenfall zu erreichen.
Als ich meine Post aus dem Briefkasten genommen hatte, fuhr ich weiter zum Haus. Ich dachte an nichts Besonderes und freute mich schon auf mein selbst zubereitetes Essen nach dem unbeschreiblichen Fraß, den wir im Gefängnis bekommen hatten. (Ja, ich wusste, der Landkreis hat kein großes Budget zur Ernährung der Gefangenen, aber Herrgott noch mal.)
Trotz meiner Vorfreude sah ich mich sorgfältig um, ehe ich aus dem Auto stieg, und den Schlüssel hatte ich auch schon in der Hand. Die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass es besser war, misstrauisch zu sein und sich lächerlich vorzukommen, als einen Schlag auf den Kopf zu kriegen oder entführt zu werden oder welchen Plan des Tages auch immer der Feind haben mochte.
Ich flog die Stufen hinauf, überquerte die Veranda und schloss die Hintertür schneller auf, als irgendwer »Jack Robinson« sagen konnte.
Ein bisschen ängstlich ging ich zum Anrufbeantworter im Wohnzimmer und drückte die Play-Taste. Andy Bellefleur sagte: »Sookie, wir haben den Anruf zurückverfolgt. Er kam aus einem Haus in New Orleans, das einer Leslie Gelbman gehört. Sagt dir das irgendetwas?«
Ich erreichte Andy in der Arbeit. »Ich kenne mehrere Leute in New Orleans«, erzählte ich. »Aber der Name sagt mir nichts.« Und ich glaubte auch nicht, dass irgendeiner von ihnen einen Drohanruf bei mir hinterlassen würde.
»Das Gelbman-Haus steht zum Verkauf. Irgendwer ist durch die Hintertür dort eingebrochen. Das Telefon funktionierte noch, und das hat der Anrufer benutzt, um die Nachricht zu hinterlassen. Tut mir leid, dass wir nicht herausfinden konnten, wer den Mist gesagt hat. Hast dudich inzwischen an irgendeinen Zwischenfall erinnert, der dieser Nachricht einen Sinn verleihen könnte?«
Es klang, als täte es ihm wirklich leid, was nett war. Meine Meinung über Andy schwankte stets hin und her, und ich glaube, seine Meinung über mich auch. »Danke, Andy. Nein, mir ist nichts eingefallen. Ich habe nie etwas getan, das so aufgefasst werden könnte, als hätte ich jemandem die letzte Chance genommen.« Ich hielt inne. »Hast du Alcee Beck meine Nachricht ausgerichtet?«
»Ahhhh … nein, Sookie. Mit Alcee stehe ich zurzeit nicht auf bestem Fuß. Er glaubt immer noch …« Andys Stimme verlor sich. Alcee Beck glaubte immer noch, dass ich schuldig war, und war sauer, dass ich auf Kaution entlassen wurde. Ob es wohl Alcee gewesen war, den ich im Wald hinter dem Merlotte’s gesehen hatte, fragte ich mich. Und würde er zu Gewalttätigkeiten greifen, weil ich frei war?
»Okay, Andy, verstehe«, sagte ich. »Und vielen Dank fürs Überprüfen des Anrufs. Grüß Halleigh schön von mir.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, dachte ich an jemanden, den ich in meiner misslichen Lage anrufen sollte. Jason hatte gesagt, dass er den Halbdämon Desmond Cataliades nicht erreicht hatte. Ich zog mein Adressbuch hervor, fand die Nummer, die Mr Cataliades mir gegeben hatte, und tippte sie ein.
»Ja?«,
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