Vampirnacht
hören.« Er zog sein Hemd hoch und zeigte mir die lange Narbe an seiner Seite. »Daher habe ich das hier. Die Leute ihres Vaters haben mich in einen Kampf verwickelt und mich daran gehindert, den beiden zu folgen.«
»Ach, Roman. Tut mir leid …«
»Das ist lange her. Sie wurde zu Staub, als die Welt noch viel jünger war. Meine Mutter hat sich für mich gerächt – sie hat den Vater auf dem Dorfplatz aufhängen lassen und ihn noch bei lebendigem Leib persönlich ausgeweidet. Dennoch konnte ich ihm das nie verzeihen. Ich habe überall nach ihr gesucht, sie aber nie wiedergesehen. Monatelang habe ich jede Nacht von ihr geträumt und sie schreien gehört, während der Krieger mit ihr davonritt. Ich musste ständig daran denken, was er ihr wohl antun mochte.« Er starrte in den Gaskamin, in seine Erinnerungen versunken.
»Wie hieß sie?« Ich legte ihm sacht die Hand auf den Arm.
Er ließ den Kopf sinken und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht mehr. Aber wenn ich dich von Nerissa sprechen sehe, erinnert mich der Ausdruck auf deinem Gesicht an sie. So hat sie mich angesehen, wenn sie auf mich zulief, um mich zu küssen. Und das macht mich … wehmütig.«
Ich nickte. Endlich verstand ich. Roman wollte uns nicht auseinanderbringen. Er hatte ein einziges Mal im Leben wahrhaft geliebt, und diese Zeit wollte er wieder aufleben lassen.
»Roman, ich …«
»Sag nichts mehr. Ich akzeptiere, was du mir geben kannst. Aber ich möchte Nerissa nie wieder in diesem Haus sehen, außer es handelt sich um einen Notfall. Ich kann es nicht ertragen, euch beide zusammen zu sehen.« Er wandte sich ab. »Jetzt musst du mich für schwach halten.«
»Niemals. Ich halte dich für … noch immer menschlich, irgendwo tief in deinem Inneren. Weißt du, Roman, ich liebe dich auch. So sehr ich eben kann. Nerissa ist meine Seelengefährtin, aber du … du und ich, wir teilen etwas, das ich mit niemand anderem teilen kann. Das ich mit niemandem sonst teilen
will.
« Ich schlang die Arme um seine Taille und küsste die Schulter seines Hausrocks.
Roman verharrte einen Moment lang, dann entzog er sich meiner Umarmung. Als er sich mir wieder zuwandte, war sein Gesicht eine lächelnde Maske der Höflichkeit ohne jeden Hinweis auf das Leid, das ich eben noch darin gesehen hatte.
»Wollen wir mit dem Ritual beginnen? Ich habe alles vorbereitet.« Er führte mich zu einer Tür am anderen Ende des Raumes.
»Wird es das Band zwischen Morio und mir durchtrennen, ohne einem von uns wehzutun?« Ich sah ihn angstvoll an – ich wollte ihm unbedingt vertrauen, fürchtete mich aber zugleich davor.
»Ja. Es ist besser, das gleich zu tun. Wenn du mit ihm schlafen würdest, wäre das Band danach nicht mehr zu lösen. Oder wenn du von seinem Blut trinken würdest. Du hast weder das eine noch das andere getan, oder? Sag mir die Wahrheit.« Er zögerte, die Hand schon am Türknauf.
»Nein. Nein, da war nichts. Viele verstohlene Blicke, und wir haben uns ein-, zweimal geküsst. Aber kein Blut mehr, seit mein Blut ihm das Leben gerettet hat. Und kein Sex. Ich glaube, deshalb habe ich es neulich Nacht mit Roz getrieben und auch von ihm getrunken. Ich wollte Morio so sehr, dass ich Roz als Ersatz benutzt habe.« Das zuzugeben, fiel mir schwer – ich wollte meine Freunde nicht benutzen.
»Ich dachte, der Doppelgänger sei der Grund gewesen? Eine Art betörender Zauber?«
Ich runzelte die Stirn. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Vielleicht beides zugleich? Das Trinken, ja, das war der Doppelgänger. Der Sex … ich weiß es nicht.«
»Nun, zumindest hast du die Lage nicht zusätzlich kompliziert. Komm, wir lösen das Band, und dann könnt ihr beide wieder ihr selbst sein. Er wird allerdings die Kraft, die bei der Transfusion auf ihn übergegangen ist, behalten. Und auch die wilde Ader …«
Ich blickte zu ihm auf. »Ich fand tatsächlich, dass er seitdem irgendwie wilder geworden ist.«
»Oh, ganz sicher, Liebste. Und das wird ihm bleiben. Camille muss das doch auch aufgefallen sein? Hat sie denn nichts zu dir gesagt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, hat sie nicht. Aber gemerkt hat sie es sicher …« Mit diesem Gedanken folgte ich ihm durch die Tür, bereit, wenigstens eines der Probleme in meinem Leben auszuräumen.
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Kapitel 17
D er Raum, in den Roman mich führte, war klein und erinnerte mich an einen Schrein. Er war in einem scheußlichen Blau gehalten. Vielleicht nicht direkt scheußlich, sondern nur
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