Vampirnacht
untersuchten die Energie, die das Raster weitergab.
»Keine Dämonen.« Sie blickte zu Shade auf. »Kannst du mir sagen, ob es das ist, was ich befürchte?«
Er streckte die Hände in Richtung der Kristalle aus. Ein Knistern war zu hören, und ein schwacher violetter Blitz zuckte von seinen Fingern in die glatten Kristalle. Er riss den Kopf hoch und nickte.
»Geister. Aber weshalb sollten Geister die Banne auslösen? Es laufen ständig welche irgendwo herum.« Er biss sich seitlich auf die Unterlippe.
»Das sind wohl nicht Caspers Freunde. Geister lösen die Banne nur aus, wenn sie bösartig sind. Wir haben keinen Besuch von gewöhnlichen Gespenstern – die haben es auf uns abgesehen.« Sie wurde bleich. »Wie sollen wir sie finden? Ich kann Dämonenenergie aufspüren, aber …«
»Ich mache den Spürhund.« Shade wandte sich zur Tür. »Stellt Wachposten auf. Morio, du bleibst am besten hier. Bei Wesen aus der Schattenwelt kannst du mehr ausrichten als alle anderen, abgesehen von mir. Wer kommt noch mit nach draußen?«
»Ich.« Ich trat vor. »Camille, du bleibst bei Morio. Trillian, du auch, wir müssen das Haus schützen. Iris, ich weiß, dass du schwanger bist, aber bereite ein paar Zauber vor, nur für alle Fälle. Hanna, ich möchte, dass du mit Marion, Douglas und Bruce ins Wohnzimmer gehst und dort bleibst. Lass die Tür offen, und nimm Maggie mit. Delilah, du kommst mit uns, und … Smoky, Vanzir, Roz, ihr auch.«
Wir teilten uns auf.
Delilah hielt ihren Dolch Lysanthra in der Hand. Roz hatte sein Arsenal an, und auch Vanzir war bewaffnet. Shade, Smoky und ich waren auch ohne Waffen tödlich genug. Wir eilten durch die Küchentür in den Garten hinaus.
Es hatte wieder zu regnen begonnen – ein leichter Nieselregen, und Nebelfetzen trieben über den Boden. Der Wind in den Baumwipfeln ließ ein gespenstisches Raunen und Flüstern hören.
Unsere dreistöckige viktorianische Villa stand auf einem Grundstück von zwei Hektar am Rand von Belles-Faire, nördlich von Seattle. Wir wohnten nicht direkt auf dem Land – in dieser Gegend gibt es meilenweit kein richtiges »auf dem Land« –, aber so ländlich, wie es im Großraum Seattle möglich war. Unser Grundstück grenzte an den Birkensee, und hinter dem Teich lag ein Sumpfgebiet, das nicht bebaut werden konnte. Wir hatten schon überlegt, es aufzukaufen, damit nicht doch noch jemand auf die Idee kam, es trockenzulegen, aber wir waren noch nicht zu einer Entscheidung gekommen.
Der hintere Bereich unseres Gartens war wild zugewuchert. Wir ließen ihn größtenteils in Ruhe, weil wir die Energie belebend fanden und das Gestrüpp zufällige Eindringlinge abschreckte.
Während wir den Teil des Gartens überblickten, in dem wir das Gras kurz hielten und einen Gemüsegarten angelegt hatten, bedeutete ich Shade, voranzugehen. Ich konnte Geister nicht spüren, wenn sie sich nicht bemerkbar machen wollten. Ein paar niedere Dämonen schon, aber Geister aus der Schattenwelt? Keine Chance.
Shade breitete die Arme aus, die Handflächen nach außen, und schloss die Augen. Langsam drehte er sich im Kreis, einen Schritt nach dem anderen. Ein schwacher, wolkenähnlicher Schatten bildete sich dabei um seinen Körper, als streckte er Rauchfähnchen wie Fühler aus. Die Schatten verdichteten sich leicht zu geflügelten Geschöpfen, etwa so groß wie Kanarienvögel, und flogen davon. Shade war halb Drache, halb Stradoner – Schattenwandler –, und wir wussten noch immer nicht allzu viel über ihn. Wie alle Drachen war er nicht so leicht bereit, seine Geheimnisse zu teilen.
Delilah stellte sich neben mich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das macht mir Angst«, sagte sie so leise wie möglich. »Ich will nicht mal mehr an Geister denken.«
»Ich auch nicht.« Unser letzter Zusammenstoß mit Geistern hatte Morio beinahe das Leben gekostet und uns alle tief verunsichert. Ein ganzes Viertel von Seattle war von Hungergeistern unterwandert worden, und wir hatten sie zwar nicht ganz ausgeschaltet, aber ich war davon ausgegangen, dass wir das Problem unter Kontrolle gebracht hatten. Seit dem Erscheinen von Gulakah, dem Fürst der Geister, war ich mir nicht mehr sicher gewesen, und als er dann verschwunden war – mitsamt dem Geistsiegel –, hatte ich gehofft, er sei in die U-Reiche zurückgekehrt und dort geblieben.
»Glaubst du, Gulakah ist hier?« Delilah trat von einem Fuß auf den anderen. Sie war groß – über eins achtzig – und sehr
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