Vampirsaga 02 - Honigblut
nur einmal bei einer Vampirschöpfung dabei gewesen – bei seiner eigenen. Und da war er weder körperlich, noch geistig oder seelisch in der Lage gewesen, der Gebrauchsanleitung zu folgen.
Dankbar registrierte er, dass Melanie ohnmächtig geworden war. Mit ein wenig Glück würde ihr Körper ohne sie die Umwandlung erledigen.
Es überraschte ihn selbst, als er nicht nur die Wohnung sauber machte, sondern sich auch noch mit einem Lappen und einem Eimer warmen Wassers neben Melanie wiederfand.
Schuldgefühle! Schlicht und ergreifend!, dachte er und fügte hinzu: Du hast sie erschaffen, du bist verantwortlich! Doch tief in seinem Inneren lauerte ein Gedanke, der nicht annähernd so unschuldig war, wesentlich besitzergreifender. Sie ist mein!
Seine Neugierde hatte ihn an diesen Ort gebracht; seine ungezähmte Lust, sich ihr zu nähern und sein Mitleid, sie zu einem Vampir zu machen. Doch nun war es ein wesentlich dunkleres Verlangen, welches von ihm Besitz ergriff und nach ihr verlangte.
Auch wenn er es darauf schob, dass sie ein Teil von ihm war. Er würde sie nicht hierlassen, sie nicht der Gefahr einer Entdeckung ausliefern. Wenn er eine Frau in Fesseln legen musste, damit sie bei ihm blieb … dann würde er eben genau das tun. Und wenn sie ihn nicht lieben und nicht treu sein konnte, musste er eben dafür sorgen, dass sie vor Einflüssen und Versuchungen unberührt blieb.
Xylos Lächeln hätte einem Engel das Fürchten gelehrt.
*** Etwas zupfte an ihrem Bewusstsein, zaghafte Schmetterlingsflügel, die sie nur kurz berührten, sanft und mit flüsternden Erinnerungen. Doch der Eindruck wurde rasch abgelöst von einem vehementen Wissen und einer Frage, so aufdringlich, dass sie sie gestellt hatte, bevor sie die Augen aufschlug.
„Sofia?!“
Der Fremde saß am anderen Ende des unbekannten Raumes, ebenso schön und mit unergründlichen Augen wie in ihrem Traum, und es gab nichts, was ihren ersten Eindruck von ihm abmilderte.
Seine goldenen Haare umschmeichelten ein bartloses Gesicht, welches ein gutgelaunter Gott an seinem besten Schöpfungstag ersonnen haben musste. Unglaublich Jennifer Schreiner Honigblut attraktiv und einnehmend waren seine Züge weder zu männlich, noch zu weiblich, sondern einfach nur atemberaubend.
Volle, sinnliche Lippen verzogen sich unter ihrer Musterung zu einem verführerischen Lächeln, milderten die perfekten Proportionen ab und verliehen ihrem Gegenüber das Aussehen eines Sunnyboys.
Und diese Augen! Herr im Himmel! Sie waren das klarste und hellste Blau, welches Melanie je gesehen hatte, das Blau eines perfekten, eiskalten Wintertages, wolkenlos. Sie waren verheerend in ihrer durchdringenden Intensität und schienen vor Intelligenz zu brennen. Die Hitze stieg ihr zu Kopf und gab ihr das Gefühl, dass sein Blick wirklich töten konnte. Ihr Traum kehrte in ihre Erinnerung zurück und ließ sie zittern.
Sie WAR im Licht seiner Aufmerksamkeit!
Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag, verdichtete sich zu einem Wissen, das sich nicht leugnen ließ, und entfachte grenzenlose Verwirrung.
Sie war klar, ihre Gedanken und Gefühle gehörten ihr, unterlagen ihrer Kontrolle und zum ersten Mal seit dem Tag, der sie in die Verzweiflung gespült hatte, hatte sie keine Angst, war ganz sie selbst – kein bloßer Schatten mehr.
Der einzige Schatten lag auf dem Moment ihrer Leidenschaft. Ihr erstes Mal, und sie erinnerte sich nicht mehr – kein bisschen.
„War es wenigstens gut?“ Ihre Frage hatte sarkastisch klingen sollen, doch ihr Tonfall war jämmerlich, gab mehr von ihr preis, als sie beabsichtigt hatte.
Der Fremde sah sie an, und unter seinem Blick begann sie sich wie die Motte aus ihrem Traum zu fühlen. Austauschbar.
Xylos starrte Melanie ungläubig an, konnte weder die klare Intelligenz fassen, mit der sie ihre Situation, ihn und sein Versteck ergründet hatte, noch ihre unglaubliche Frage. Noch nie hatte eine Frau ihm gegenüber auch nur die geringsten Zweifel an ihrer Wirkung oder an ihrem Können an den Tag gelegt. Nie hatte eine daran gezweifelt, ihm Freude bereitet zu haben.
Zum ersten Mal war das Lachen, das er allein mit einer Frau teilte, ehrlich und herzhaft.
Melanie starrte den lachenden Adonis vor sich an. Ihre Unsicherheit wuchs zu Verzweiflung, als ihre hilflose Wut mit Eiseskälte nach ihr griff. So dumm, so schrecklich, schrecklich dumm! Sie hatte die Frage nicht laut stellen wollen, ihre
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