Vampirsaga 02 - Honigblut
endgültig, als ramme er ihr ein Messer ins Herz. Nur ein Wesen konnte aus einem Vampirschlaf erwachen – ein Vampir.
Verflucht seiest du Magnus! Xylos stand auf und pilgerte vor dem Bett auf und ab, unfähig, seinen Körper und seine Gefühle ruhig zu halten.
Sofia hätte ihre Schwester sicher zu einem Vampir gemacht und sie aufgeweckt, aber diese Option blieb Xylos vorenthalten. Wirklich?
Die unerwartete Reaktion seines Körpers erwischte ihn unvorbereitet. Es war nicht die leichte Erregung, die er bei anderen schönen Frauen verspürte, sondern eine Sehnsucht, die ihn zurückweichen ließ. Er erschrak über die erotischen und zärtlichen Gedanken, die in ihm aufstiegen, und erlegte sich strenge Disziplin auf.
Als er zum letzten Mal gewagt hatte zu glauben und zu vertrauen, hatte er teuer bezahlen müssen und würde ein Leben lang büßen. Das Leben, welches er gewählt hatte, sah keine Zuneigung vor, keine Romantik und erst recht keine Liebe. Immer wieder hatte er sich davon überzeugen können, dass er recht hatte. Dass Schönheit eine Täuschung war, ein rein äußerlicher Fakt, nur dazu geschaffen, zu manipulieren.
Schönheit war über die Jahrhunderte hinweg eine Macht für sich gewesen und geblieben. Ein Zahlungsmittel, eine Verlockung und ein ewiger Wunsch. Jennifer Schreiner Honigblut
Er starrte die Frau auf dem Bett an, die Personifikation all dessen, was er an einer Frau verabscheute. Makellose Haut, hohe Wangenknochen und einen anbetungswürdigen Mund, ihre Haare von einem betörenden Goldblond; mit leichten Locken, die ihr lang und verlockend über die Schultern fielen, ihre Brüste umschmeichelten und den Blick weiterlenkten auf Proportionen, die einem Mann das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen, oder in Xylos Fall ihn austrockneten.
Melanie verdankte ihre Schönheit nicht der Mode, Makeup, einem Friseur oder günstigem Licht. Ihre war echt, wäre es in all den vergangenen Jahrhunderten gewesen.
Xylos Wut auf Magnus und auf Melanie wuchs.
Am liebsten hätte er ihr Kleid mit beiden Händen gepackt und entzweigerissen, um einen Makel zu finden. Lügner! Um ihre Kurven freizulegen und sich an ihnen zu vergnügen!, tadelte sein Verstand.
Plötzlich fühlte er sich primitiv, wollte besitzen und begatten – und behalten. Für einen kurzen Augenblick beseelte ihn der Gedanke, dass er jedes Recht hatte, sie sich zu nehmen.
Dann setzte sein Verstand vollends wieder ein, und Xylos wich zurück.
Verflucht! Wenn sie schon im schlafenden Zustand dermaßen auf ihn wirkte, eine Wirkung, die selbst Sofia nie erzielt hatte, wie würde es erst sein, wenn sie wach war?
Aber sie wird nie wach sein. Niemals aufwachen, wenn du sie nicht weckst. Und dann stirbt sie.
Der laute Fluch, den Xylos Magnus ins Jenseits hinterherschickte, war so unflätig, dass er selbst rote Ohren bekam.
Er konnte nicht einfach weggehen, einfach so tun, als hätte er Melanie nie gefunden. Konnte sie nicht Sofia überlassen. Und du hast deinen Schwur erfüllt und Magnus gefunden. Jetzt kannst du dir auch wieder eine Frau und die Macht des Sexes gönnen!
Seine Wut auf Magnus, sich selbst und Melanie verblasste langsam, Schönheit hin oder her, und wandelte sich in Mitleid, als ihm ein trauriger Fakt einfiel: Sie hatte versucht, sich umzubringen!
Manch einer mochte sie für feige halten, für verdammenswert, aber plötzlich fragte er sich nach der Ursache ihrer Melancholie. Wie oft hatte Morna doch gleich gesagt?
Sein Blick glitt zu ihrem Handgelenk, um das sich ein auffällig weißer Verband abhob wie ein störender Fremdkörper. Er löste ihn. Vernarbtes Gewebe zeugte von Melanies vergeblichen Versuchen, sich das Leben zu nehmen. Wie verzweifelt muss man sein, wenn man sich selbst körperliche Gewalt zufügt?
Seine eigenen Narben waren verschwunden, als er ein Vampir wurde. Leider hatten sie seine Vergangenheit und Gefühle nicht mitgenommen.
Xylos ließ seine Fingerspitzen über die Narben gleiten, und er spürte ihre weiche Haut, genoss das Gefühl ihrer Lebenskraft unter seinen kräftigen Fingern. Sein Körper reagierte augenblicklich auf die verlockende Empfindung. Langsam ließ Xylos seine Hand an Melanies Arm hinaufgleiten, streichelte sanft ihre Ellenbeuge hinauf über ihren Oberarm bis zu den Schultern.
Melanies Augen bewegten sich hinter ihren geschlossenen Lidern, zeugten davon, dass sie seine Liebkosung auf einer ihm unbekannten Traumebene mitbekam.
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