Vampirsaga 02 - Honigblut
Bisher hatte sie es für lachhaft gehalten, wenn Frauen schon allein von solch kleinen Berührungen erregt wurden, wenn Männerhände sich an Brüsten festsaugten und sie kneteten, als wären sie kostbare Schätze, die gewürdigt werden sollten.
Doch nun war ihr, als würde sie ertrinken. Xylos war überwältigend erotisch, und sie wusste, dass sie ihn aufhalten musste. Sofort, bevor sie vergaß, warum sie sich wehren wollte, warum sie aus seinem Licht fliehen wollte.
„Hör auf!“, hauchte sie atemlos.
Xylos hielt ihre Unterlippe einen sinnlichen Moment lang zwischen seinen Zähnen gefangen, bevor er sie mit einem wilden Knurren langsam freigab.
„Willst du das wirklich?“ Seine Stimme war tief, und sie empfand die Vibration in ihrem ganzen Körper. Sein Blick hielt sie fest, glühte vor Zorn und Leidenschaft, beides machte ihr in gleichem Maße Angst und erregte sie, und sie fühlte plötzlich, wie Panik in ihr aufstieg.
Xylos versuchte die barbarische Leidenschaft zu zügeln, die ihn seit ihrer Berührung ergriffen hatte. Sein Körper verlangte mit einer Macht nach Melanie, die ihm vor Augen führte, wie sehr er sich in den letzten Jahren selber belogen und betrogen hatte. Das Verlangen nach anderen Frauen war ein bloßer Abklatsch von dem, was er jetzt empfand.
Ich begehre, ich verlange und ich brauche, ging ihm durch den Kopf, und für Sekunden spürte er die tiefere Wahrheit in seinen Worten, spürte den Zorn auf sich selbst und verlor beinahe die Kontrolle.
Der Vampir schloss die Augen, um sein Geschöpf nicht sehen zu lassen, welche Dämonen in ihm kämpften, und Melanie die Chance zu geben, sich von ihm zurückzuziehen.
Und verfluchte sich im selben Moment selbst. Ihr Duft stieg ihm in die Nase, süß und frisch. Ganz anders als die betörenden Duftstoffe, die die anderen Frauen einsetzten, und an die er sich gewöhnt und satt gerochen hatte. Gegen sie war er mehr als immun. Melanies Duft hingegen berauschte ihn, erinnerte an Mandelbäume und Malus trilobata, die Apfelblüten, an den Geruch des Frühlings in einer Heimat, die es für ihn nicht mehr gab.
Sinnlichkeit war etwas, mit dem er seit Jahrhunderten jeden Tag gelebt hatte, aber die Unschuld ihres Geruchs brachte Erinnerungen zurück, die er verdrängt hatte.
Er öffnete die Augen und strafte sie mit einem bösen Blick, weil sie sich nicht von der Stelle gerührt hatte. Ihr Gesicht war ihm zugewandt, und ihre vollen, rosigen Lippen lockten ihn. Das Blau ihrer Augen lenkte von seiner Vergangenheit ab und verlockte ihn, sein Spiel weiterzuspielen.
Langsam hob er die Hand, legte sie unter ihr Kinn und strich ihr mit bezwingender Langsamkeit mit dem Daumen über die Unterlippe. Jennifer Schreiner Honigblut
Seine Berührung schockierte Melanie durch ihre Sanftheit. Sie hatte mit Leidenschaft gerechnet, mit Gier, hatte sich gegen einen Ansturm gewappnet. Doch Xylos Langsamkeit entwaffnete sie und ließ sie zittern.
Der Callboy senkte seinen Kopf ganz langsam und ließ der Vampirin Zeit, sich zurückzuziehen. Doch Melanie rührte sich nicht.
Es war der sanfteste Kuss, an den er sich seit seinem Tod erinnern konnte – eine Berührung ihrer Lippen, mehr nicht. Und sie waren weich, so sanft wie sie aussahen und vollkommen weiblich. Einmal strich er seinen Mund darüber, dann noch einmal, dann legten sich seine Lippen auf ihre; und er erhöhte den Druck ein wenig, bat anstatt zu nehmen, flehte anstatt zu plündern.
Er wollte sich eben zurückziehen, wollte seine Liebkosung beenden, als sie sich unter ihm regte, eine deutliche Reaktion, verlockend. Sie erwiderte seinen Kuss sanft und vorsichtig. Ohne nachzudenken reagierte er. Er verstärkte seinen Druck und vertiefte den Kuss.
Melanies Lippen öffneten sich. Nur ein wenig, gerade genug, damit er sie schmecken konnte. Er fuhr mit der Zungenspitze über ihre Unterlippe, streichelte die zarte Haut in ihrem Mund und berührte ihre Zunge, weckte Sinne, die bereits angespannt waren.
Seine sanfte Verführung war verheerender als die hitzige Leidenschaft und das brennende Verlangen. Der Hunger, der in ihr aufstieg, war mehr ein heftiges, animalisches Verlangen und schien sich aus ihren finstersten Tiefen zu erheben.
Xylos spürte Melanies Nachgeben, versuchte seinen inneren Dämonen mit dem Rest seines Verstandes in Schach zu halten, sich auf ihre Unschuld zu berufen, doch es gelang ihm nicht. Er wollte sich hier und jetzt davon vergewissern,
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