Vampirsaga 02 - Honigblut
Überzeugung und hielt ihm eine andere Möglichkeit vor Augen. Es könnte Wahrheit sein. Er zog sie fester in seine Umarmung, und sie schmiegte sich enger an ihn, presste ihr Gesicht an seine Schultern.
Der kurze Blick, den er dabei auf ihr Gesicht erhaschen konnte, zeigte ihm, dass sie tatsächlich weinte. Ohne jede Schönheit und ohne jede absichtliche Manipulation. Anders als Helena sah sie dabei nicht hübsch, hilflos und gewollt verletzlich aus, sondern verzweifelt. Ihre Nase war rot, ihre Augen geschwollen, und die Tränenspur schien zwei Rinnsaale in ihre Haut gegraben zu haben. Sie sah aus wie ein halb ertrunkenes Kätzchen, welches im letzten Moment gerettet worden war. Bedauernswert.
Xylos sah sich selbst, wie er dasaß, und versuchte emotionale Distanz zu wahren. Wenn die anderen dich so sehen würden, wie du eines deiner Opfer tröstest, würden sie lachen. Xylos, der mächtige Womanizer, empfindet Mitleid. Er konnte ihre Spötteleien jetzt schon in seinen Ohren hören.
Doch da war es: Mitleid. Er drehte und wendete das Wort und die damit verbundene Emotion in Gedanken hin und her. Sie schmeckte bittersüß und fühlte sich herrlich herb an. Wahr und ehrlich.
„Sie kommen nie wieder, nie wieder …“, Melanies stammelnde Stimme erstickte in ihren Tränen.
„Wer kommt nie wieder?“ Xylos strich ihr tröstend über die Haare. Eine Geste aus uralten Tagen.
Melanie reagierte nicht. Weder auf seine Frage, noch auf seine Geste. Er verschob die Frage auf später. Würde sie auf jeden Fall und unter allen Umständen im Gedächtnis behalten.
„Nie … nur Sofia …“, Melanie versteifte sich in seinen Armen. „Sofia!“ Ein tränenzerrissener Schrei.
Bei ihrem animalischen Klagelaut griff Angst auf eiskalten Klauen nach Xylos. Suizidgefährdet! Er hatte sie allein gelassen. Aber sie hat nicht lebensmüde gewirkt, als du gegangen bist! Sie hat sogar selber gesagt, dass sie leben will!
Langsam löste er seine Arme und schob sich aus der Umklammerung, um ihr Gesicht anzuheben und sie anzusehen. Innerlich verfluchte er sich, weil er bei ihrer Jennifer Schreiner Honigblut Umwandlung in einen Vampir nicht den Mut aufgebracht hatte, ihren Geisteszustand zu überprüfen – oder ihre Vergangenheit.
Sie war nicht hysterisch, sie war zerschmettert!
Bar jeglichen Selbstwertgefühls, voller Angst und Panik. Er hatte noch nie jemanden gesehen, der so vollständig zerstört war, so voller Angst. Elementar, als ginge ein Verlust direkt durch ihre Seele und verzehrte ihre Persönlichkeit.
Melanie starrte Xylos ungläubig an, konnte nicht fassen, dass er wirklich bei ihr war. Wie in Trance sah sie, wie sich ihr rechter Arm hob, und sie die Hand nach ihm ausstreckte. Vorsichtig legte sie ihre Finger an seine Wange. Doch er war real.
„Du bist wirklich wieder da.“ Melanie ließ ihre Hand sinken.
„Wo sollte ich sonst sein?“ Xylos gab sich Mühe, ruhig und gefasst zu klingen, obwohl ein Kloß in seinem Hals saß, und er kaum sprechen konnte.
„Du bist einfach gegangen …!“ Ihre Worte kamen ohne Betonung, und doch meinte er die Anklage in ihnen zu hören, die erst in ihrem nächsten Satz kam: „Du hast mich zurückgelassen!“
Sie sah ihn direkt an, und die Anklage und die Wut waren unmissverständlich.
Also doch Absicht – nur besser gespielt! Melanie hatte nur nicht in seinem Versteck bleiben wollen, nicht allein, und hatte ihm auch nicht geglaubt, dass es zu ihrer Sicherheit war, obwohl sie die Wahrheit in seinen Worten gespürt hatte.
„Ich habe dir gesagt, es ist zu deiner Sicherheit!“ Er gab sich keine Mühe, seine Ungeduld und seinen Ärger zu verbergen.
„Du hast keinen Ton gesagt, nicht wann du zurückkommst … oder ob überhaupt …. du bist einfach gegangen …“ Melanie fing wieder an zu weinen. Xylos starrte sein Geschöpf an, während sich Erkenntnis als eisiger Kloß in seinem Verstand verdichtete.
„Großer Gott!“, murmelte er. Das habe ich wirklich, oder? Ich bin schuld! Wirklich und wahrhaftig.
Er fasste ihre Schlussfolgerung und ihre Angst zusammen: „Du hast gedacht, ich lasse dich zurück und komme nicht wieder?“
Melanie erwiderte seinen Blick, als könnte sie nicht verstehen, dass jemand zu einer anderen Schlussfolgerung ob der Situation hatte kommen können.
Und tatsächlich konnte Xylos nicht verstehen, wie sie das Schlechteste von ihm hatte annehmen können. Zu gerne wollte er wissen,
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