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Vampirsohn

Titel: Vampirsohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Ward
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aufzusuchen, aber Ms Leeds war aus vielen Gründen ein Sonderfall, und zudem nicht in der Lage, einfach selbst im Büro vorbeizukommen. Wie alt war sie jetzt? Einundneunzig?
    Oder vielleicht noch um einiges älter? Claires Vater hatte bereits eine halbe Ewigkeit als Anwalt für Ms Leeds gearbeitet, und nach seinem Tod vor zwei Jahren hatte Claire die Klientin von ihm übernommen – zusammen mit seinem Anteil am Familienunternehmen. Als sie seinen Platz am Tisch der Kanzleipartner übernahm, war sie die erste Frau in der Geschichte von Williams, Nance & Stroughton, die es bis in die Vorstandsetage geschafft hatte. Und diese Position hatte sie sich redlich verdient, ungeachtet dessen, was im Testament von Walter Stroughton gestanden hatte. Sie war eine hervorragende Anwältin für Fusionen und Übernahmen. Es gab kaum bessere.
    Wie schon für Claires Vater war Ms Leeds ihre einzige Klientin im Bereich Treuhand- und Nachlassvermögen. Die alte Dame besaß dank Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen, die allesamt von WN&S vertreten wurden, ein Vermögen von rund zweihundert
Millionen Dollar. Diese Beteiligungen bildeten die Basis ihrer Geschäftsbeziehung. Ms Leeds hielt gerne an Altbewährtem fest, und ihre Familie zählte bereits seit Gründung der Kanzlei im Jahre 1911 zu deren Klienten. So war das also. Ein F&Ü-Rockstar verwaltete das T&N für eine SHA.
    Oder in allgemein verständlicher Sprache ausgedrückt: Eine Spezialistin für Fusionen und Übernahmen kümmerte sich um das Treuhand- und Nachlassvermögen einer Seniorenheimanwärterin.
    Und – unglaublich aber wahr – die Arbeit lohnte sich sogar. Das Testament und die darin genannten Stiftungen waren recht überschaubar, wenn man sich einmal damit vertraut gemacht hatte, und Ms Leeds war verglichen mit den meisten Firmenkunden sehr umgänglich. Die alte Dame war auch eine einträgliche Klientin, wenn es um ihr Testament ging. Sie nahm Änderungen an ihrem letzten Willen auf dieselbe Weise in Angriff wie manche Leute die Gartenarbeit, und bei einem Stundensatz von 650 Dollar bekam Claire dadurch mit der Zeit ein ganz nettes Honorar zusammen. Ms Leeds war ständig damit beschäftigt, den Teil ihres Vermögens, den sie wohltätigen Zwecken stiften wollte, zu verändern. Wie bei einer grünen Hecke stutzte sie Bereiche davon zurecht oder riss einfach alles aus und legte es ganz neu an, wenn sie wieder einmal ihre Meinung änderte.
    Die letzten beiden Änderungen hatte Claire telefonisch abwickeln können. Daher konnte sie nicht gut ablehnen, als Ms Leeds sie diesmal um ein persönliches Treffen bei sich zu Hause bat.

    Ein Treffen, das hoffentlich schnell wieder vorüber sein würde.
    Claire hatte das Anwesen der Familie Leeds erst ein einziges Mal besucht, und zwar um sich nach dem Tod ihres Vaters persönlich vorzustellen. Der Besuch war ganz gut verlaufen. Ms Leeds hatte offensichtlich bereits Bilder von ihr gesehen und daraufhin ihre »damenhafte Haltung« gelobt.
    Was eigentlich ein Witz war. Getreu der Maxime »Kleider machen Leute« war Claires Kleiderschrank voll von konservativen Kostümen mit Röcken, die ihre Knie verbargen. Aber die teuren Business-Outfits dienten nur als Fassade. Sie verfügte über denselben Geschäftssinn wie ihr Vater und hatte auch dessen Streitlust geerbt. Äußerlich mochte sie vielleicht von Kopf bis Fuß wie eine Dame aussehen, aber im Inneren war sie ein echter Killer.
    Die meisten Leute erkannten ihren wahren Charakter etwa zwei Minuten nach der ersten Begegnung. Aber es war gar nicht schlecht, dass Ms Leeds sich diesbezüglich hatte täuschen lassen. Sie war eine Dame der alten Schule und gehörte einer Generation an, in der anständige Frauen überhaupt nicht gearbeitet hatten – und schon gar nicht als Staranwältinnen in Manhattan. Offen gesagt war Claire überrascht gewesen, dass Ms Leeds nach dem Tod von Claires Vater nicht zu einem der anderen Partner gewechselt war, aber im Wesentlichen kamen sie ganz gut miteinander aus. Bislang hatte ihre Beziehung nur einen kleinen Knick erhalten, als sie sich das erste Mal persönlich getroffen hatten und die alte Dame Claire gefragt hatte, ob sie verheiratet sei.

    Claire war ganz bestimmt nicht verheiratet. Sie war es nicht und hatte auch nicht das geringste Interesse daran, es irgendwann mal zu sein. Nein, danke! Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war irgendein Typ, der darüber bestimmen wollte, wie lange sie im Büro bleiben konnte oder wie hart sie arbeiten

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