Vampirsohn
vielleicht solltest du eine Sitzung …«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber warum nennt man dich eigentlich Mick? Ich kenne dich nur als Mick. Dabei ist Michael doch so ein … schöner Name.«
»Ja, sicher. Hör mal, du solltest vielleicht wirklich zum Psychiater gehen.«
Wahrscheinlich sollte sie das tatsächlich. Nachts konnte sie nicht schlafen, weil sie Alpträume hatte, und tagsüber war sie deprimiert, obwohl sie keinen Grund dafür sah. Klar, die Technitron-Fusion war in die Binsen gegangen, und vielleicht war es teilweise ihre Schuld, aber das konnte nicht die Ursache für ihre ständige Antriebslosigkeit oder den ziehenden Schmerz in ihrer Brust sein.
Martha klopfte und streckte ihren Kopf zur Tür herein. »Entschuldige, deine Ärztin ist auf Leitung zwei, und ich dachte, du solltest wissen, dass die alte Ms Leeds gestorben ist. Ihr Butler hat am Dienstag eine Nachricht hinterlassen, die im System verlorengegangen ist. Ich habe sie erst jetzt gefunden.«
Ms Leeds.
Claire griff sich an den Kopf, als sie unvermittelt von einer Woge des Hasses erfasst wurde und ihre Schläfen plötzlich schmerzhaft pochten. »Ah, danke Martha. Mick, wir reden später weiter. Übrigens, ich glaube, Freitag ist mein letzter Tag. Ich habe mich noch nicht ganz entschieden.«
»Was? Du kannst doch nicht so schnell abhauen.«
»Ich habe eine Liste all meiner Dossiers und Klienten sowie Informationen zum aktuellen Status der einzelnen Fälle zusammengestellt. So könnt ihr selbst ausmachen, wer wen übernehmen möchte.«
»Herrgott nochmal, Claire …«
»Bitte mach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst. Und Martha, bitte finde heraus, wo und wann Ms Leeds’ Beerdigung stattfindet.«
Als sie alleine war, nahm sie den Hörer ab. »Hier ist Claire Stroughton.«
»Bitte warten Sie kurz. Dr. Hughes wird gleich mit Ihnen sprechen.«
Claire runzelte die Stirn und überlegte, warum ihre Ärztin sie sprechen wollte. Die Ergebnisse der Tests, die sie gestern hatte machen lassen, sollten doch erst in einigen Tagen vorliegen …
»Hallo, Claire.« Emily Hughes kam gleich zur Sache. Das schätzte Claire an ihr so. »Ich weiß, dass Sie beschäftigt sind. Daher werde ich mich kurzfassen. Sie sind schwanger. Das ist der Grund für ihre ständige Müdigkeit und die Übelkeit.«
Claire blinzelte. Dann rollte sie die Augen. »Nein, bin ich nicht.«
»Sie sind in der dritten oder vierten Woche.«
»Das ist doch nicht möglich.«
»Ich weiß, Sie nehmen die Pille. Aber die Antibiotika, die Sie Ende August gegen Ihre Erkältung eingenommen haben, könnten ihre Wirkung herabgesetzt haben …«
»Aber das ist wirklich nicht möglich! Ich hatte nämlich keinen Sex.« Tja, zumindest nicht im echten Leben. Dafür hatte sie in der letzten Zeit höllisch heiße Träume, was vielleicht mit ein Grund dafür war, dass sie sich so erschöpft fühlte. Immer wieder wachte sie mitten in der Nacht auf – am ganzen Körper bebend, schweißgebadet und feucht zwischen den Beinen. So sehr sie es auch versuchte, sie konnte sich nie daran erinnern, wie ihr Liebhaber im Traum ausgesehen hatte. Er sorgte jedoch dafür, dass sie sich großartig fühlte – zumindest bis zum Ende ihrer Fantasien.
Denn am Ende wurden sie immer voneinander getrennt, und Claire wachte stets tränenüberströmt auf.
»Claire, Sie wissen aber, dass man auch schwanger werden kann, ohne direkt Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.«
»Okay, ich sage es Ihnen jetzt noch einmal klar und deutlich. Ich war schon seit über einem Jahr nicht mehr mit einem Mann zusammen. Daher kann ich nicht schwanger sein. Meine Blutprobe muss in Ihrem Labor mit einer anderen vertauscht worden sein. Das ist die einzig logische Erklärung. Denn, glauben Sie mir, ich würde mich daran erinnern, wenn ich Sex gehabt hätte.«
Eine lange Pause folgte. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, kurz vorbeizukommen und eine neue Probe abzugeben?«
»Kein Problem. Ich werde morgen kurz vorbeischauen.«
Als sie den Hörer auflegte, blickte sich Claire im Büro um und stellte sich vor, wie sie ihre Diplome aus Harvard und Yale von der Wand nahm. Sie war sich noch nicht schlüssig, wohin sie gehen sollte. Vielleicht Richtung Norden. Caldwell war beispielsweise ganz nett. Und sie war nicht auf die Arbeit angewiesen. Sie hatte genügend Geld, und wenn es ihr doch einmal zu langweilig werden sollte, konnte sie immer noch ein eigenes Anwaltsbüro aufmachen und für Privatleute kleinere Fälle übernehmen. Sie konnte
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