Vampirsohn
große Tür. Sie sah aus wie die Tür zu einem Burgverlies, war überall mit Eisenbändern verstärkt
und verfügte über ein Schloss mit einem Schieberiegel, der so dick wie ihr Oberschenkel war.
Als sie das Ding erblickte, begann sie plötzlich, unkontrolliert zu weinen.
Schluchzend näherte sie sich den starken Eichenbohlen. Ungefähr auf Augenhöhe befand sich eine Art Guckloch. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und sah hindurch …
»Sie sollten nicht hier unten sein.«
Sie drehte sich schnell um. Fletcher stand direkt hinter ihr, einen seiner Arme unauffällig hinter dem Rücken verborgen.
Claire wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich habe mich verirrt.«
»Tatsächlich?«
Beiläufig ließ sie eine Hand in ihre Schultertasche gleiten und griff mit der anderen in die Tasche ihrer Kostümjacke.
»Warum sind sie hier heruntergekommen?« fragte der Butler und trat einen Schritt näher.
»Ich habe mich nicht wohlgefühlt. Als ich die Tür unterhalb der Treppe fand, wollte ich nur noch weg von den vielen Leuten, und deshalb bin ich hierhergegangen.«
»Warum haben Sie nicht den Garten aufgesucht?«
»Dort waren auch Leute. Zu viele.«
Natürlich kaufte er ihr das nicht ab, aber Claire war das egal. Er musste nur noch ein kleines bisschen näher kommen.
»Warum sind Sie nicht in einen der Salons gegangen?«
Als er in Reichweite kam, zog sie schnell einen ihrer
Pumps aus der Tasche und ließ ihn nach links über den Steinboden schlittern. Fletcher drehte sich zu dem Geräusch um. Schnell nahm Claire das Tränengasspray heraus, das an ihrem Schlüsselring hing, und hielt es auf Höhe seiner Augen vor sich. Als er sich wieder zu ihr umdrehte und die Injektionsspritze hob, die er in seiner Hand versteckt gehalten hatte, traf ihn das Tränengas direkt ins Gesicht.
Heulend ließ er die Spritze fallen, die er ihr hatte verpassen wollen, bedeckte die Augen mit den Händen und wankte rückwärts, bis er auf der anderen Seite gegen die Wand stieß.
Natürlich war Tränengas in New York verboten. Aber Gott sei Dank war das ein Verbot, das sie schon seit mehr als zehn Jahren missachtete.
In Windeseile schnappte sich Claire die Spritze, stach damit in den Oberarm des Butlers und drückte dann den Kolben bis zum Anschlag hinunter. Fletcher stieß einen Schrei aus und sackte auf dem Steinboden zusammen.
Sie wusste nicht, ob er tot oder nur betäubt war. Daher hatte sie keine Ahnung, wie viel Zeit ihr bleiben würde. Sie rannte zu der versperrten Tür des Verlieses und brach sich beim Versuch, den Türriegel zur Seite zu schieben, zwei Fingernägel ab.
Die Eile machte sie rasend und verlieh ihr die Kraft, den gewaltig schweren Eisenriegel anzuheben und zurückzuschieben. Als sie die Tür aufgesperrt hatte, griff sie nach der Klinke, drückte sie nach unten und setzte ihre ganze Körperkraft ein, um die Türe aufzuziehen.
Kerzenlicht. Bücher. Ein dunkler, angenehmer Geruch …
Ihr Blick schoss durch den Raum. Zu einem Mann, der sich ungläubig staunend von einem Schreibtisch erhob, der voll war mit … Zeichnungen von ihr.
In Claires Kopf drehte sich alles, und ein stechender Schmerz raubte ihr die Sicht. Ihre Knie gaben nach, und sie sackte auf dem harten Steinboden zusammen.
Sofort umfingen sie zwei starke Arme, hoben sie hoch und trugen sie hinüber zu … einem Bett mit einer Samtdecke und Kissen, die so weich waren wie die Schwingen einer Taube.
Sie blickte den Mann an, und Tränen liefen über ihre Wangen, als sie sein Gesicht berührte. Oh Gott, sein schönes Gesicht war das Gesicht ihres Liebhabers aus dem Traum. Der Mann, der sie nachts nicht hatte schlafen lassen und den sie tagsüber beweint hatte.
»Wie bist du zurückgekommen?«, fragte er.
»Wer sind Sie?«
Er lächelte. »Mein Name ist Michael.«
Der Schmerz in ihren Schläfen ließ plötzlich nach … und dann kamen die Erinnerungen zurück, in einer schnellen Abfolge von Bildern und Gefühlen, Gerüchen und Geschmackserlebnissen … alle von Michael und ihr, zusammen in diesem Raum.
Claire klammerte sich an ihn und vergrub ihr Gesicht in seinem Haar. Sie schluchzte, weil sie es beinahe nicht geschafft hätte. Weil sie vielleicht niemals zurückgekommen wäre, wenn Ms Leeds jetzt nicht gestorben wäre, da sie sich ja entschlossen hatte, die Firma zu verlassen.
Und dann wurde sie wütend und stieß ihn zurück.
»Warum zum Teufel hast du das gemacht? Warum hast du mich gehen lassen?« Sie trommelte gegen seine Brust. »Du hast
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