Vampirzorn
entfernteren Siedlungen in den Karpaten einzunehmen waren. Ihre Bewohner waren friedliebende Menschen, die abgeschieden lebten und sich von der Außenwelt abgeschirmt hatten, weit weg von den von Kriegswirren gebeutelten Regionen Dakiens und den großen Schlachtfeldern am Fuß der Berge.
Radu konnte ihnen dies kaum zum Vorwurf machen. Außerdem hatte er ja gar nicht vor, sich ihre Dörfer einzuverleiben – jedenfalls noch nicht; oder wenn, dann höchstens auf sehr subtile Weise. Er würde ihnen seine Dienste als Krieger anbieten, als Wojwode, und ihnen Schutz vor jedem etwaigen Angreifer gewähren, der in diese Berge eindrang. Ebendies tat er keine fünfzig Jahre später auch.
Doch seine Späher und Kundschafter brachten nicht nur Neuigkeiten mit, sondern auch Gerüchte. Einem von ihnen war zu Ohren gekommen, dass ein Ferenczy gemeinsame Sache mit den Vandalen machte! Hah! Dann mal viel Glück, welcher es auch sein mochte, ob nun Nonari Grobhand – falls er tatsächlich noch am Leben war – oder ein gewisser Belos Pheropzis, der angeblich sein Ei-Sohn sein sollte. Denn wenn dieser Mistkerl Geiserich mit all seinen Söldnern so umsprang wie mit Radu ... nun, ein Ferenczy weniger, den der Hunde-Lord dann noch jagen musste ...!
Unterdessen hatten die Drakuls sich in den Hufeisenbergen der Karpaten schier uneinnehmbare Festungen geschaffen, entgegen ihrem eigenen Grundsatz, dass Anonymität gleichbedeutend mit Langlebigkeit sei, jede Vorsicht in den Wind geschlagen und ganz offen eine Schreckensherrschaft errichtet. Die Menschen wussten über sie Bescheid und auch, wozu sie fähig waren. Als wahre Vampire vermochten sie zu fliegen – und nächtens töteten sie oder erschufen Vampire. Radu sandte Späher aus, um die Lage zu erkunden und festzustellen, wo genau ihre Festen sich befanden; doch seine Männer kehrten nicht zurück. Das hätte ihm Warnung genug sein sollen und ihn eigentlich von der Überlegenheit der Drakuls überzeugen müssen ... doch in seiner Wolfskuppe war Radu sicher. Glaubte er jedenfalls.
Irgendwann wurden die Übergriffe der Drakuls auf Gebiete, die Radu als seinen Herrschaftsbereich betrachtete, zu viel, und er fasste den Entschluss zurückzuschlagen. Sie hatten viele Vorteile auf ihrer Seite. Als Meister der Wandlungskunst vermochten sie eine andere Gestalt anzunehmen, um zu fliegen. Schon seit Langem hatten sie sich in ihren Stätten festgesetzt, und es hieß, ihre Festungen seien unangreifbar. Aber sie mussten auch Nachteile in Kauf nehmen. Als Kinder der Nacht konnten sie sich bei Tageslicht nicht im Freien bewegen; der Morgen musste sie unweigerlich sicher in ihrer Heimaterde ruhend vorfinden, die sie von der Sternseite mitgebracht hatten. Dabei wussten sie durchaus, wie brutal und erbarmungslos der Hunde-Lord vorging: Sollte er sie überraschen, würde es kein Verhandeln, kein Waffenstrecken und keine Gnade geben.
An dem Abend jedoch, bevor Radu in Richtung Westen aufbrechen wollte, erreichte ihn ein neues Gerücht, diesmal allerdings eines, das er unmöglich ignorieren konnte. Er begab sich hinab in die Steppe, nach Bacau, von wo das Gerede seinen Ausgang nahm. Dort erfuhr er, was sich zugetragen hatte:
Kaiser Justinian hatte eine Flotte unter dem Befehl von Belasarius in Bewegung gesetzt, um über das Mittelmeer hinweg, in Nordafrika und anderen Teilen des Reiches, zum Schlag gegen die Vandalen auszuholen, kurz: um den westlichen Teil des Imperiums zurückzuerobern.
Die Vandalen! Und Radu hatte seinen Schwur, den er vor ewigen Zeiten abgelegt hatte, immer noch nicht erfüllt. Überdies befand sich unter dem verräterischen Abschaum auch noch ein Ferenczy! Der alte Geiserich war schon vor sechzig Jahren den Weg allen Fleisches gegangen, des meisten jedenfalls, aber das Königreich der Vandalen bestand noch immer. Zudem befand sich unter ihnen auch mindestens ein Ferenczy! Nun, selbst nach all den Jahren zählte jedweder überlebende Angehörige der Ferenczy-Dynastie zu Radus ärgsten Feinden. Sie waren allesamt Abkömmlinge der Mörder, die Radu einst das Liebste genommen hatten, in einer anderen Welt, zu einer anderen Zeit; und doch kam es Radu noch immer so vor, als sei dies alles erst gestern geschehen.
Hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, über die Drakuls herzufallen und sich Belisarius als Söldner und Fachmann für die Kriegführung der Vandalen anzuschließen, kehrte er in die Berge zurück zur Wolfskuppe ...
... nur um festzustellen, dass die Drakuls ihr in
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