Vampirzorn
Fahrbahn gewesen. Er rechnete also nicht im Geringsten damit, dass in einer so ruhigen Nacht, noch dazu mitten unter der Woche, etwas Großes passieren könnte.
Vielleicht lag es ja daran, dass Vollmond war ... was auch immer, jedenfalls war er von dem Zeitpunkt an, zu dem er in der winzigen Polizeiwache von Kingussie den Mann von der Tagschicht ablöste, ständig auf Achse gewesen. Er hatte ihn gegen 6.00 Uhr abends abgelöst, und natürlich gab es nichts, was der Constable von der Tagschicht ihm übergeben konnte; der Tagesbericht war eine leere Seite, nicht anders als am Tag zuvor und am Tag vor diesem Tag und in den Nächten dazwischen.
Ah, doch dies war eine ganz besondere Nacht!
Kaum hatte Strachan Kaffee gekocht, es sich bequem gemacht und die erste Seite seines Science-Fiction-Thrillers aufgeschlagen, klingelte das Telefon – Einbruch im Museum von Newtonmore. Eine Fahrt von fast fünf Kilometern an der Uferstraße des Spey entlang, eine Stunde lang ein zerbrochenes Fenster untersuchen und Aussagen aufnehmen, und dann die fast fünf Kilometer wieder zurück. Doch noch bevor er irgendetwas ins Berichtsbuch eintragen konnte, kam schon wieder ein neuer Einsatz, diesmal im Holiday Centre in Aviemore, wo ein betrunkener Gast dabei war, die Hotelbar in Trümmer zu legen.
Diesmal musste Strachan fünfzehn Kilometer weit fahren, eine Strecke wohlgemerkt, und war zu Recht sauer und hatte vor, den Mann zu verhaften – doch als er dort angelangte, schlief dieser bereits seinen Rausch aus, und der Geschäftsführer des Hotels wollte keine Anzeige erstatten. Er sei sicher, der Schaden ließe sich morgen früh ohne Weiteres beheben. Äh, aber falls doch irgendwelche Probleme auftauchen sollten ... nun, vielleicht könnte der Constable ja, wo er schon einmal hier war, notieren, was zu Bruch gegangen war? Dies hatte eine weitere Stunde gedauert. Immerhin luden sie Strachan wenigstens zu einem Fingerhut voll Whisky ein, nur den einen, damit er sich ein bisschen aufwärmen konnte.
Für einen »ruhigen« Abend im Tal des Badenoch hätte dies eigentlich genügen müssen. Aber nein, als Strachan wieder in Kingussie eintraf, läutete das Telefon erneut: ein Verkehrsunfall an einer unübersichtlichen Kurve in der Coylumbridge Road. Verflucht nochmal, von Aviemore aus wären es gerade mal zwei, drei Kilometer dorthin gewesen! Hätte er das gewusst, hätte er sich einfach an die Straße stellen und warten können, bis es passierte. Doch das wäre vielleicht eines Iren würdig gewesen, er hingegen war Schotte, und als Polizist hatte man es nun mal nicht leicht.
Aber so schlimm war es gar nicht. Zwei Wagen hatten einander gestreift. Einer der Fahrer, eine junge Frau, hatte sich die Knie aufgeschürft und einen kleinen Schock davongetragen, als sie von der Straße abgekommen war und gegen einen Baum prallte. Strachan hatte ihr die hübschen Knie mit einem Antiseptikum abgetupft (nein, schlimm fand er dies keineswegs!), und wie stets bei einem Unfall hatte er einen Flachmann dabei. Also gab er jedem der beiden Fahrer einen kleinen Schluck, genehmigte sich ebenfalls einen und ließ den Fahrer des anderen Wagens dann wieder ziehen, während er sich mit dem Mädchen in den Streifenwagen setzte und auf den Abschleppwagen wartete. Sie war ein hübsches Ding; weitaus besser, als bei einem brummigen alten Knacker zu sitzen.
Als er sich wieder auf den Weg machte, um zurück nach Kingussie zu fahren, war es zwanzig nach elf und vom Spey her stieg ein kühler Nebel auf und schob sich wie ein Leichentuch vor den tief über dem Tal stehenden Mond. Da passierte es ...
Auf der Höhe des Tierparks befand sich plötzlich jemand auf der Straße. Ein Mann, der inmitten der Dunstschwaden eine Taschenlampe schwenkte (Gott sei Dank, sonst hätte Strachan ihn noch überfahren) und dem Constable verzweifelt bedeutete, anzuhalten. Es war der alte Andrew Bishop, dem das Gelände gehörte und der den Park betrieb. Sein Blick war völlig verstört und voller Angst, als Strachan den Streifenwagen auf den Randstreifen lenkte und anhielt.
Als er ausstieg, stürzte Bishop sofort auf ihn zu. »Bist du nicht Gavin Strachan?«, stieß er hervor, während er über die Schulter zurück zu den nebelverhangenen Parkgebäuden mit den Maschendrahtgehegen blickte. »Gavin, mein Junge! Gott sei Dank, dass du da bist!«
»Äh? Was ist denn los?«
»Los? Mein Gott, was los ist? Ich kann dir sagen, was los ist. Irgendwas ist da drin bei den Tieren!«
Strachan packte
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